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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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stück, das mir dann nicht so recht schmecken wollte. Bruder John, mich im Schlepptau und<br />

sofort auch zum Zupacken ermuntert, hatte beim Tagesauftaktrundgang vier Bewohner aus<br />

der Scheiße gezogen und einen vom Gott sei Dank lediglich tropfnass bepissten Bettzeug befreit.<br />

Und das mit bloßen Händen. Schutzhandschuhe für derlei Arbeiten gab’s nicht; die<br />

gab’s generell nicht. Es gab nur ausreichend Kernseife, ausreichend Handwaschbürsten, sich<br />

nach einer Arbeit, nach welcher auch immer, ausgiebig die Hände zu schrubben. Jedenfalls so<br />

ausgiebig wie die Zeit dies zuließ. Reichlich Arbeit in der ersten Stunde eines Arbeitstages;<br />

als ich mich um 7 Uhr 30 im Speisesaal am Personaltisch zum Frühstück einfand, war ich<br />

schon einmal kräftigst ins Schwitzen gekommen. – Bettenvisite, und wo nötig, das Bettzeug<br />

wechseln (siehe oben). Und waschen oder gar baden, wem solches nötig war. Beim Anziehen<br />

zugreifen, wer allein nicht zurande kam. Auch hier und da einen Verband wechseln, dann<br />

Medikamente verabreichen, dann denen das Frühstück bringen, denen man das Erreichen der<br />

Speisesaal-Tischgemeinschaft nun absolut nicht mehr zumuten konnte; eine Entscheidung,<br />

mit der man sich schwer tat, und Bruder John zu dem Thema: „Jedes Essen mehr aufs Zimmer,<br />

bedeutet ein Mehr an Arbeit. Nur Ihre Zeit, die Sie nur Verfügung haben, bleibt immer<br />

dieselbe. Und mehr als schnell sein, kann auch der Schnellste nicht. Und Schnellsein ist hier<br />

sowieso schon mehr als angesagt, um wenigstens den nötigsten Standard an Zuwendung einzuhalten,<br />

zumal wir zunächst Ordnung und Sauberkeit zu gewährleisten haben. Denn nie vergessen,<br />

Bruder Mathesius, das A und O einer Einrichtung wie dieser hier ist die Hygiene.“<br />

Meinen ersten Arbeitstag hinter mich gebracht, hatte ich garantiert mehr als drei Dutzend<br />

Instruktionen, noch einmal mindesten so viele Ermahnungen und ein gerüttelt Maß an Ratschlägen<br />

im Kopfe. Und mein Kopf, der qualmte, meine Arme, mein Beine waren lahm, und<br />

insgesamt war ich schachmatt, zumal ich keine Mittagspause gehabt hatte und gleich am ersten<br />

Tag auch noch mit ansehen sollte, was dem Spätdienst so alles für Pflichten oblagen.<br />

In der Mittagspause waren mir vom Bruder John Haus 1 und Haus 3 gezeigt worden.<br />

Treppauf ging’s, treppab ging’s, in viele Zimmer ging’s, und überall hatte ich brav Guten Tag<br />

gesagt, endlich auch dem Herrn Moltrich von seiner Tochter den Gruß bestellt, worauf Herr<br />

Moltrich gemeint hatte: „Die sollt’ sich lieber mal herscher’n. Die war schon über’n Jahr<br />

nich’ mehr hier.“ – Na gut, dafür konnt’ ich ja nun nicht, und ab ins nächste Zimmer war’s<br />

gegangen und überall hatte ich gehört, was es hier, was es dort zu beachten gäbe, wenn ich<br />

hier, wenn ich dort mal zugreifen müsste, im Spätdienst beispielsweise oder sonntags zum<br />

Beispiel. Und überhaupt: generell auskennen müsst’ ich mich sowieso, aber vor allem beim<br />

Spätdienst, denn da wäre ich allein auf weiter Flur. Sonntags wäre man ja mindestens noch<br />

zu zweit, aber beim Spätdienst...<br />

Den Spätdienst erlebte ich zum ersten Mal an der Seite des Hausvaters , und an der Seite<br />

des Hausvaters sah es ganz so aus, als musste man sich wenigstens während dieser Stunden<br />

kein Bein ausreißen. Von 19 Uhr 30 bis 22 Uhr 30... also da ging’s wohl geruhsam zu, da<br />

gab’s, wie es ausschaute, nicht allzu viel zu tun, sobald man im Sanitätszimmer das Zusammenstellen<br />

der mannigfaltigen Medikamente-Gaben für den nächsten Morgen erledigt hatte.<br />

Kein Heimbewohner, der nicht was schlucken musste, und nahezu jeder gleich vielerlei. Was<br />

vorbereitend zusammenzustellen mir beim Zusehen ziemlich knifflig vorkam, auch wenn<br />

Bruder John, für alles Medizinische zuständig, auf dem Medikamentetisch auf einer Liste<br />

unter einer Glasplatte, auf die man nun Näpfchen, auf die man nun Gläschen stellte, säuberlich<br />

neben jedem Namen notiert hatte, was dem betreffenden Insassen in welcher Dosis morgens,<br />

mittags, abends zu verabreichen war. Also letztlich musste man nur lesen, genau hingucken<br />

können, wenn man es noch nicht auswendig wusste, was wer wann zu kriegen hatte.<br />

Und dem Hausvater war’s selbstverständlich, so hört’ ich von ihm, längst ohne Draufgucken<br />

geläufig, ihm die Liste nicht nötig. und ich wüsste es auch nach einiger Übung aus dem Ge-<br />

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