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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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„Eisenbahner. Heizer auf ’ner Lok. Fast alle Jahre die Strecke Berlin-Stettin, und immer<br />

mit’m selben Lokführer, mit dem Otto. Und eines schönen Tages war’n wir verschwägert, der<br />

Otto und ich, hatt’ ich seine zweitjüngste Schwester geehelicht.“<br />

„Die Erna?“<br />

„Ja, ja, meine Erna.“<br />

„Und wer war Ihre Lilli?“<br />

„Lilli? <strong>Das</strong> war die jüngste Schwester vom Otto. Die war mit’m Schneider aus der Charlottenburger<br />

Oper verheiratet. Was zunächst mal keine schlechte Partie war, nee, nee, mit<br />

Justus hatte sie ihr Auskommen. Und außerdem war es ’n herzensguter Mann, und man<br />

konnt’ sich auch dufte mit ihm unterhalten, aber das gibt eben so Männer, denen kommt irgendwann<br />

das körperliche Interesse an den Frauen abhanden, und dann fühlen sie sich stattdessen<br />

zu Ihresgleichen hingezogen, legen sie sich nur noch mit Männern ins Bett. Und so<br />

einer war der Justus. So ab Mitte Dreißig etwa, da war er auf einmal ein Homo, und das hat er<br />

Lilli gegenüber auch irgendwann zugegeben... na ja zugeben, was heißt zugeben, Lilli hat ihn<br />

eines Tages in flagranti ertappt, aber dann haben sie sich ausgesprochen, und dabei sind sie<br />

übereingekommen: scheiden lassen wollten sie sich deshalb nicht, weil sie ansonsten doch so<br />

gut miteinander harmoniert haben. Die konnten wirklich gut miteinander. Und für das Körperliche,<br />

für das im Bett... tja, da bin ich dann für Justus eingesprungen. Und das hat der Lilli<br />

auch mächtig zugesagt. Die hat sich liebend gern mit mir hingelegt, konnt’ gar nicht oft genug<br />

sein.“<br />

„Und was war mit Ihrer Frau? Wusste die das?“<br />

„Ja, ja, die wusste das, Bruder. Der war das sogar mehr als recht, weil... na ja, da war’n<br />

doch schon unsere drei Jungs da, und noch mehr Kinder wollt’ meine Erna absolut nich’, lieber<br />

hat sie auf das Körperliche verzichtet, und Lilly... na ja, bei der war’s ungefährlich, die<br />

konnt’ keine Kinder kriegen. Die war mit fuffzehn von zu Hause ausgebüxt, und als sie wieder<br />

ankam, war sie schwanger, und da hat ihr ihre Mutter zu ’ner Abtreibung verholfen. Aber<br />

seitdem war Schluss. War klar, Kinder konnt’ sie nich’ mehr kriegen. Und weil sie mit Justus<br />

nun auf einmal so’n Mann hatte, von dem sie im Bett nischt mehr zu erwarten hatte, da bin<br />

ich dann halt immer gependelt. Mit meiner Erna hat ich ’ne Familie, und schräg rüber über die<br />

Straße, da hatt’ ich mit Lilli das Körperliche. Na ja, bis dann vierundvierzig alles in die Binsen<br />

gegangen is’. Und zwei Jahr später is’ dann zu allem Unglück auch noch meine Erna an<br />

Diphtherie verstorben, und da saß ich dann da. Jahrelang zwei Frauen, wenn Sie so wollen,<br />

und nun auf einmal gar keine mehr. – Sie, den Hosenschlitz, den mach ich mir allein zu, Bruder.<br />

Aber ansonsten schönen Dank, dass Sie mir geholfen haben.“<br />

„Ja, ja, schon gut. Was macht’n die Wade?“<br />

„Na ja, ’n bisschen was merk’ ich noch. Aber das wird sich schon wieder legen. So was<br />

is’ ja kein Schicksalsschlag. <strong>Das</strong> is’ ja nich’ wie das andere, was Sie eben haben sehen müssen.<br />

Wissen Sie, dass ich hier bestimmt nich’ gelandet wäre, wenn mir das da unten nich’ passiert<br />

wäre. Unter normalen Umständen hätt’ ich wieder nach ’ner Frau Ausschau gehalten, als<br />

meine Erna nich’ mehr war. Ich wär’ doch nich’ Witwer geblieben, dazu haben mir doch<br />

Frauen viel zu viel bedeutet. Aber nun konnt’ ich mich doch an keine mehr ranmachen. Wie<br />

sollte das funktionier’n, welche Frau nimmt sich schon ’n Eunuchen zum Mann. Sie, das hat<br />

mein Leben verdammt wertlos gemacht, dass mir das mit den Klöten passiert is’. Im Kopp, da<br />

will man, und wo das was auslösen müsste, da rührt sich nischt mehr. Ich meine heutzutage,<br />

da komm’ ich schon irgendwie drüber weg, weil hier is’ ja sowieso an nix ranzukommen.<br />

Jetzt bliebe mir ja ohnehin bloß Handbetrieb. Aber als ich da im Spital zu mir gekommen<br />

bin, und mir ist klar geworden, was mit mir los is’... Sie, da hätt’ ich was drum gegeben, ich<br />

wär’ nich’ gerettet worden. Lieber wär’ ich tot gewesen. Krepiert wie meine Lilli. Aber die<br />

hatte nur den Justus mit in’ Himmel genommen. Justus war die Nacht ja auch umgekommen.“<br />

„Aber nicht unter dem Haus, oder wie?“<br />

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