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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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„Na weil ich mir Zeit für ihn lasse. Nicht nur so viel, wie unbedingt nötig. Und außerdem<br />

bestehe ich nicht darauf, dass er schon kurz nach halb acht im Bett liegt. Da kann er nämlich<br />

noch nicht einschlafen, muss noch ewig ohne Schlaf rumliegen, und das wäre für ihn die reinste<br />

Qual, sagt er.“<br />

„Ja, ja, mag sein, aber das ist womöglich trotzdem nur die halbe Wahrheit, Bruder Mathesius.<br />

Und das ist eigentlich auch der Grund, warum ich mit Ihnen über den Mann rede.<br />

Was ich nicht grad gern mache, aber da Sie mit so was Heiklem garantiert noch nie konfrontiert<br />

wurden, da halt ich es für angebracht, Ihnen die Augen zu öffnen, bevor Sie in was reinschlittern,<br />

was Sie zutiefst durcheinander bringen würde. Und das möchte ich Ihnen ersparen.<br />

Also muss ich Sie über was aufklären, was Herrn Boche betrifft. Hören Sie gut zu, der Mann<br />

hat neuerdings, oder vielleicht auch schon eine Weile länger, aber jedenfalls hat er ein Faible<br />

für sehr junge Menschen, oder sagen wir mal lieber: für sehr junge Männer. Zwar nicht für<br />

alle. Ihren Vorgänger beispielsweise, der war auch nicht älter als Sie, aber den konnt’ er nicht<br />

ausstehen. Im Gegensatz zu dem jungen Mann, der hier vor Bruder Schulze tätig war. Zwischen<br />

Bruder Oberländer und Boche hat es sich in den ersten Wochen etwa so angelassen wie<br />

jetzt bei Ihnen. Bis Boche das eines Abends als Freibrief angesehen hat, sich Bruder Oberländer<br />

gegenüber alles leisten zu dürfen. Boche ist dem jungen Mann unsittlich gekommen. Und<br />

der, auch so Einer voller Mitleid wie Sie, der hat sich zunächst auch drauf eingelassen. Bruder<br />

Oberländer Boches perversen Wunsch tatsächlich erfüllt. Und als ihm noch in derselben<br />

Nacht bewusst geworden ist, wozu er sich durch Boche hat hinreißen lassen, da hat nicht viel<br />

gefehlt, und er hätte Selbstmord begangen. Ihm ist nur noch rechtzeitig klargeworden, dass er<br />

sich damit erst recht versündigen würde, und deshalb hat er es sein lassen, hat stattdessen<br />

morgens um halb vier bei mir geklingelt, und dann hat er sich sein Elend, das ihm Boche angetan<br />

hatte, von der Seele geredet. Und von Rechts wegen hätte nun gegen Boche was unternommen<br />

werden müssen. Aber es war halt Boche, und da schien es mir geraten, die Angelegenheit<br />

so unauffällig wie möglich zu regeln. Und deshalb habe ich Bruder Oberländer zum<br />

Stillschweigen verdonnert, hab’ in aller Eile bei Pastor Kluge vorgesprochen, und der war<br />

ganz meiner Meinung, und hat deshalb auch umgehend veranlasst, dass der junge Mann, ohne<br />

dass hier jemand stutzig geworden ist, unten im Dorf in einem anderen Bereich tätig werden<br />

konnte. – So, nun wissen Sie auch das, und ich hoffe, Boche hat Ihnen gegenüber bisher noch<br />

nicht von irgendwas gefaselt, was Sie peinlich berührt hat.“<br />

„Nein.“<br />

„Hat also bisher in keiner Weise angedeutet, neben der Einreibung mit dem Schlangengift<br />

würde ihm noch woanders ein Eincremen guttun, eines mit Vaseline? Ich meine jetzt nicht im<br />

Gesicht. Da soll er das haben. Ändert zwar nichts an seinen Falten, aber bitte, wenn es ihn<br />

glücklich macht. Aber von was anderem hat er noch nicht gesprochen?“<br />

„Nein, hat er nicht, nein. Wobei ich jetzt nicht genau weiß, worauf Sie hinaus wollen.“<br />

„Na dass Boche vielleicht schon mal angedeutet hat, dass es ihn abends immer an einer<br />

gewissen Stelle schmerzen würde, und er sich bisher nur geschämt hätte, einen von uns zu<br />

bitten, ihn da einzucremen, beziehungsweise zu massieren. Obwohl er sich vorstellen könnte,<br />

dass ihm das ganz bestimmt guttäte. – Ja, ja, ich seh’ schon, Sie verstehen immer noch nicht,<br />

was ich meine. Also dann mal Klartext: Seine Genitalien hat Boche Ihnen gegenüber noch nie<br />

erwähnt?“<br />

„Nein.“<br />

„Na gut, aber gesetzt den Fall, er will Sie irgendwann zu was bringen, sagen wir: Penis<br />

berühren oder so, dann dem Mann sofort eine Abfuhr erteilen. Nicht dass es Ihnen wie diesem<br />

Bruder Oberländer ergeht, erst sich vor Mitleid zu was hinreißen lassen und dann nicht mehr<br />

wissen, wie aus der Sache wieder rauskommen. Haben wir uns verstanden?“.<br />

„Ja, ja, aber ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass Herr Boche heutzutage für so<br />

was überhaupt noch einen Nerv hat.“<br />

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