Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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verklemmt sein‘, dacht’ ich, der ich mir plötzlich absolut sicher war, wonach den Lorenz verlangte,<br />
den Dussel, der sich nichts traute, und ich stieg in die Wanne; Schaum bis zum Rand,<br />
und ich machte mich lang, ich genoss. Ich liebte seit je ein geruhsames Wannenbad, das mir<br />
seit je auch vergönnt war, weil ich aus einem Haushalt kam, zu dem auch ein Badezimmer<br />
gehörte, was zur damaligen Zeit durchaus noch nicht selbstverständlicher Wohnungsstandard<br />
war, jedenfalls nicht in Elbberge. In meiner Oberschulklasse waren beispielsweise außer mir<br />
solchermaßen privilegiert dahergekommen nur noch der Sohn eines Arztes, der Sohn eines<br />
Klempnermeisters und die Tochter des Direktors des städtischen Gaswerks. – Na jedenfalls<br />
genoss ich es von Kleinkindesbeinen an, in der Badewanne in aller Ruhe vor mich hin zu<br />
träumeln, und jetzt, des Dienstes ledig, genoss ich es erst recht, und dass es dem Lorenz, diesem<br />
Spanner, an Mumm gebrach, mir den Rücken abzuseifen, und mich solches um die Aussicht<br />
brachte, dass sich der Bursche in meinen Netzen verfing... Gott ja, der nun zu Ende gehende<br />
Tag, der kam mir auch ohne ein solches Finale nicht gerade erlebnisarm vor. Frühmorgens<br />
wie immer das Opachen Emil beglückt; über Mittag erstmals auch dem Herrn Schubert<br />
ein wenig mehr Lebensqualität verschafft; und wenn ich gewollt hätte... also, was Herrn Boche<br />
betraf, da war mir doch nicht alles zur Offenbarung geraten, was Bruder John mir am<br />
Nachmittag anvertraut hatte. Ich hatte zwar diese Geschichte von dem angeblich in die Sünde<br />
getappten Bruder Oberländer noch nicht gehört, aber seit dem ersten Morgen mit Opachen<br />
Emil war ich lange darauf gefasst, dass ich für Herrn Boche eines Tages womöglich nicht<br />
mehr tabu wäre. Den Mann musste doch ein arger Notstand plagen, wo er nun schon jahrelang<br />
auf nächtliche Ausflüge zu verzichten hatte. – Na ja, nun war’s ja wohl auch offensichtlich,<br />
und es amüsierte mich, dass Herr Boche just an dem Tag, an dem ich vor ihm gewarnt<br />
worden war... Gott ja, wie das Leben so spielt. Herr Boche sich endlich vorgewagt; keine<br />
Frage, der war auf mich aus; die Frage war lediglich, wollte ich mich, oder wollt’ ich mich<br />
nicht darauf einlassen. Na eigentlich nein, ich wollt’s nicht, aber andererseits... also bei so<br />
einem Schwengel, und wenn der, wie am Abend gesehen, nicht nur, wie sonst öfter mal,<br />
schüchtern ansatzweise, sondern schier hemmungslos ins Schwellen kam... na hoppla, dass<br />
ich da Nein zu sagen all-ewiglich das Durchstehvermögen aufbrächte, dafür hätte ich für<br />
mich, der ich da jetzt in der Badewand vor mich hin träumelte, nicht einmal den kleinen Finger,<br />
geschweige denn die Hand in Gänze ins Feuer gelegt. Im Grunde war Herrn Boches Vorstoß<br />
wohl nur allzu bald, und dies Herrn Boches Pech, den Bruder Johnschen Offenbarungen<br />
gefolgt, die Nazi-Vergangenheit des Mannes betreffend. Ich noch nicht locker genug, um alle<br />
Fünfe gerade sein zu lassen. ‚Aber was nicht war, kann ja noch werden, Herr Boche‘, so<br />
dacht‘ ich, und ich hätte in dieser Richtung vermutlich gleich noch zielorientierter gedacht,<br />
wenn jetzt nicht wer an des Badezimmers Tür angeklopft hätte. – „Ja, was is’ denn? Kommen<br />
Sie rein.“<br />
Und auf ging die Tür, und reinschaute... na wer wohl? Na der, der da wusste, dass ich<br />
grad badete. – „Entschuldigen Sie, Bruder Mathesius, ich bin’s. ich geh’ auch gleich wieder.“<br />
„Ja, ja, nun kommen Sie erstmal richtig rein, und machen Sie die Tür zu.“<br />
„Ja, ja, mach ich –“, und machte der Lorenz; kam rein, schloss die Tür, blieb an ihr stehen.<br />
– „Sie, ich wollte Ihnen eigentlich nur sagen, Bruder Mathesius, ich hab’ mich da eben<br />
am Fenster vielleicht etwas ungeschickt ausgedrückt. Wissen Sie, was ich nur sagen wollte...<br />
ich wollte eigentlich nur sagen, dass hier schnell mal Gerüchte aufkommen.“<br />
„Was denn für Gerüchte? – Hier, nehmen Sie den Waschlappen, erzählen mir das, während<br />
Sie mir den Rücken abseifen. Ich bin nicht sehr sportlich, da komm ich hinten nicht<br />
überall an.“<br />
„Ich bei mir auch nicht. <strong>Das</strong> geht mir genauso.“<br />
„Na prima, dann können wir uns ja gegenseitig helfen. – Na los, nun machen Sie schon.<br />
Ich sag’s auch nicht weiter, wenn Sie Angst haben, hier könnte jemand auf Hintergedanken<br />
kommen.“<br />
„Na gut, dann will ich mal... wo liegt denn die Seife?“<br />
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