01.01.2013 Aufrufe

Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

7<br />

„Erstmal den Rücken?“<br />

„Nö wenn’s ginge, gleich vorn, Bruder. Und ganz bis runter.“<br />

„Ja, ja, mach’ ich schon, Herr Schubert.“<br />

Und ich seife mir die Hände ein, und ich gehe dem alten Mann, der Mann die Augen geschlossen,<br />

sich in der Wanne zurückgelehnt, mit meinen seifigen Händen an die ergrautbehaarte<br />

Brust. Ein ansehnlich breiter, noch spürbar festfleischiger Brustkasten. – „Was waren<br />

Sie denn mal von Beruf?“<br />

„Im Sommer Bademeister. Die andre Zeit hab’ ich Kohlen ausgefahren“, sagt Herr Schubert,<br />

ohne die Augen aufzumachen, und ich massiere ihm mit meinen seifigen Händen leichthin<br />

die Brust; das Wasser geht ihm nur bis knapp überm Bauch. Mehr Wasser einzulassen<br />

wäre gegen die Vorschrift gewesen, und an die Vorschrift hatte ich mich gehalten. Und ich<br />

verstieß eigentlich auch desweiteren gegen keine Vorschrift, weil für einen in der Badewanne<br />

gelandeten Heimbewohner bezüglich des Umfangs diakonischer Betreuung vorgeschrieben<br />

war: den Mann beaufsichtigen und ihm (wie in all seinen Altersheim-Lebenslagen) Hilfe zu<br />

gewähren nach Maßgabe der Notwendigkeit auf Grund pflegedienstlichen Ermessens. Ja, so<br />

das offiziell, und das hieß doch wohl: Hilfestellung soweit dem Mann nach Ansicht seines<br />

Betreuers eine solche nötig war. Ich hielt mich also im Falle des Herrn Schubert letztlich,<br />

wenn man so wollte, geradezu buchstabengetreu an meine festgeschriebenen Pflichten; die<br />

legitimierten doch sozusagen mein Tun. Eine Legitimation, die ich übrigens im Falle Opachen<br />

Emils Morgen für Morgen, seit ich Gottesruh bevölkerte, also seit nunmehr nahezu vier Wochen,<br />

wohl nicht mit ganz so reinem Gewissen für mich in Anspruch nehmen konnte, weil<br />

während der Nachtruhe, 22 Uhr 30 bis 6 Uhr 30, einem Heimbewohner außer Schlaf was nötig<br />

zu haben nicht zustand, es sei denn, es ginge um Leben oder Tod; aber bitte, und sich bitte<br />

daran halten, bitte keinen falschen Alarm. Sonst wehe dem Alarm Schlagenden! – Tja, und<br />

wie war das nun mit Opachen Emil? Nun ja, der kam zum Bruderchen Enkelchen nun mal<br />

stets schon morgens so gegen fünf, und dass es um Leben und Tod ging... also ich würde sagen:<br />

Ja. Aber wer von meinen Brüder-Kollegen wäre mir da wohl gefolgt? – Nun ja, Spaß<br />

beiseite, denn im Falle des Herrn Schubert wäre mein „pflegedienstliches Ermessen“ und<br />

mein daraus erwachsender Pflegedienst auch nicht als vorschriftenkonform durchgegangen.<br />

Also war mir und meinem Tun schon förderlicher, wenn nun niemand reinschneite in den<br />

Raum mit der Badewanne, in ihr Herr Schubert, neben ihr und über den Herrn Schubert gebeugt<br />

der Bruder Mathesius. Ja, ja, geb’ ich zu, dass Vorsicht geboten war; muss aber in diesem<br />

Zusammenhang auch zugeben, dass ich durchaus nicht als ein sonderlich Mutiger daherkommen<br />

musste, denn es war reichlich unwahrscheinlich, dass sich um diese Zeit ein Heimbewohner<br />

nach einer Waschgelegenheit umtat. Nach dem Mittagessen machte man gewöhnlicherweise<br />

ein Nickerchen, oder döste jedenfalls noch augenfälliger vor sich hin, als man<br />

gewöhnlicherweise schon vor sich hin döste. Einziges Ziel womöglich eine Toilette, und dort<br />

gab’s auch gleich die Möglichkeit, sich die Hände zu waschen. Die Waschräume... Gott ja,<br />

regelmäßig von den Alten genutzt wurden sie ehrlich gesagt zu keiner Tageszeit, und wozu<br />

auch, wo den Männern doch einmal pro Woche ein Vollbad aufgenötigt wurde. Ich konnt’s<br />

jedenfalls nicht dreckschweinisch finden, wenn diese allwöchentliche Zwangsreinigung den<br />

Meisten für eine Wochenlänge vollauf genügte. Also morgens in den Waschräumen kein Andrang,<br />

abends in den Waschräumen kein Andrang, und mittags... dass da wer auftauchte... ja,<br />

ja, nicht außer Acht lassen, dass es vorkommen konnte, also mein Reaktionsvermögen nicht<br />

abschalten, aber blieb‘s wach, war der Vorsicht auch genüge getan. Meine Hände brauchten<br />

also durchaus nicht auf der noch erstaunlich beachtlich properen Brust des ehemaligen Bademeisters<br />

und Kohlenträgers zu verharren. Und da sollten sie ja auch nicht verharren; die sollten<br />

ja helfen. – „Ach Gott, Hände wie meine Elli. Die kamen mir auch immer so vor, als<br />

wären sie nichts lieber als an mir dran. Genau wie Ihre, Bruder. Ihre, das spür’ ich, die ma-<br />

40

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!