Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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auch nicht. Warum sollte ich, und wie auch? Aber Werner mir verschwiegen, oder hatte der es<br />
nicht gewusst, dass Matthias Kluge, Zwillingsbruder des Johannes Kluge, auch in Emmaus<br />
tätig war, und zwar als Hausvater im Haus Bethlehem? – „Ach beinahe hätte ich es vergessen,<br />
oder wissen Sie es schon, hat es Ihnen Bruder Paechter schon gesagt, dass Sie bis auf weiteres,<br />
sobald Sie sich eingearbeitet haben, immer mal tageweise für Dienste im Haus Bethlehem<br />
abgestellt werden?“<br />
„Nein.“<br />
„Tja, muss leider sein. In Bethlehem sind vor kurzem zwei Erzieher ausgefallen. Einer<br />
einen Nervenzusammenbruch erlitten, und den anderen mussten wir leider vom Dienst suspendieren,<br />
der Mann sich etwas Schwerwiegendes zu Schulden kommen lassen. Heikle Sache,<br />
wirklich heikel, aber das nur so ganz nebenbei. Jedenfalls brauchen sie in Bethlehem<br />
Hilfe. Da fehlt es an Aufsichtspersonal, und eine strikte Überwachung ist dort nun mal unumgänglich.<br />
In diesem Refugium betreuen wir nämlich sehr, sehr junge Menschen. Jungs so zwischen<br />
vierzehn und siebzehn, und jeder auf seine Weise erbarmungswürdig verhaltensgestört.<br />
Alles Problemfälle. Der dortige Hausvater ist wirklich nicht zu beneiden. <strong>Das</strong> ist übrigens<br />
mein Zwillingsbruder Matthias. Leider, leider seit kurzem verwitwet, so dass er jetzt auch<br />
noch die Aufgaben einer Hausmutter mit am Halse hat. Nicht einfach, wirklich nicht einfach.<br />
Da muss man schon ein gerüttelt Maß an Gottvertrauen haben. Aber wo braucht man das hier<br />
in Emmaus nicht. Letztlich braucht das hier ein jeder. Gottvertrauen und ein allzeit fröhliches<br />
Herz, aus dem die Nächstenliebe quillt wie aus einem, wie ich immer zu sagen pflege, munter<br />
sprudelnden Quell. – Nun ja, das wär’s eigentlich, was ich Ihnen mit auf den Weg geben<br />
möchte, Bruder Mathesius. Und nochmals herzlich Willkommen.“<br />
Und damit ward ich entlassen; verließ ich das Gebäude Pfarramt, Schrägstrich Gemeindeamt,<br />
Schrägstrich Anstaltsleitung. <strong>Das</strong> Haus am Anger gelegen, gegenüber der Mühle am<br />
Löschteich, Baden verboten. Die Anstaltsleitung. Was der Mann, der da in Klamotten bis zur<br />
Hüfte im Wasser stand, entweder nicht hatte zur Kenntnis nehmen wollen, oder er konnte<br />
nicht lesen; jedenfalls stand er mitten im Löschteich und grinste blödig, als ich vom Pastor<br />
Kluge kam; dessen Suada noch im Ohr, und nun ob des Teichstehers verdutzt, mit dem es ja<br />
wohl kaum seine Ordnung haben konnte, die es fürwahr auch nicht hatte. Ich mich so um die<br />
30 Sekunden gewundert, kamen zwei junge Männer gelaufen, und es hieß schon von weitem:<br />
„Komm da raus, Birkemeier! Hast du gehört, raus da mit dir!“ Was dem Herrn Birkemeier,<br />
sein Alter undefinierbar, ganz und gar nicht am Herzen lag, der blieb, wo er war, mitten im<br />
Teich, blödiges Grinsen. – „Los, raus da, Birkemeier! Na, wird’s bald, mach nicht wieder<br />
Geschichten!. Was soll das? Komm raus da!“<br />
Ja von wegen. Mit dem Kopf schüttelte Birkemeier blödigen Grinsens, patschte mit den<br />
Händen aufs Wasser, dass es spritzte, und der Mann tauchte ab, tauchte ein, weg war er, und<br />
tauchte sogleich wieder auf: Birkemeier, der troff, und dem Mann noch immer das blödige<br />
Grinsen. – „Birkemeier, lass das, komm raus da! Schluss mit dem Quatsch!“, rief wieder der,<br />
der von Anbeginn auf den augenscheinlich geistig Behinderten einzuwirken versucht hatte;<br />
der andere bisher nichts gesagt, aber nun setzte der nach: „Du, hör mal, Birkemeier, wenn du<br />
nicht freiwillig rauskommst, du, wenn wir dich holen müssen, dann wirst’ wieder eingeschlossen.<br />
Und das willst du doch nicht, oder? Du willst doch bestimmt nicht wieder in die<br />
Geschlossene.“ – Tja, schwer zu erkennen, was der Mann wollte, der schüttelte den Kopf und<br />
nickte nahezu zeitgleich, der patschte aufs Wasser, und der tauchte neurerlich unter, und wieder<br />
auf tauchte der Mann; klatschnass der Mann. Und die jungen Männer in der blau-grau<br />
gestreiften Diakonenbluse, Ähnlichkeit mit einer Schlachterbluse... also, ich trug eine solche<br />
noch nicht, aber bereits ausgehändigt war auch mir dies Arbeitskittel-Untensil, das die beiden<br />
Männer da am Teich als „Brüder“ im diakonischen Geiste auswies und das sie nun ablegten;<br />
die machten sich nackt bis auf die Unterhosen und stiegen sodann in den Teich, und ich nahm<br />
an, dieser Birkemeier würde nun die Flucht ergreifen, hin zum gegenüberliegenden Ufer, aber<br />
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