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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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em das Haus Bethanien, das Paul-Gerhard-Haus, das Martin-Luther-Haus, das Christopherus-Haus,<br />

den Gemeindesaal namens König-David-Haus, das Jünger-Jesu-Haus, das Kanaan-Haus<br />

und die vier nach den Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes benannten<br />

Häuser, und hinterm Johannes-Haus die Krankenstation, das Samariter-Haus.<br />

Wahrhaftig nicht klein das Dorf, in dem ich, während ich mich da umschaute, so manchen,<br />

am Diakonskittel kenntlichen „Bruder“ geschäftig von einem Haus ins andere eilen<br />

sah, und da und dort stieß ich auf Insassen, jüngere, ältere. Die saßen auf den Bänken oder<br />

standen irgendwo rum oder trotteten durch die Gegend, und meist schienen sie geistig nicht<br />

auf der Höhe zu sein. Ich sah aber auch Männer, an denen nichts Auffälliges zu entdecken<br />

war, und die ich nur deshalb den Insassen zurechnete, weil sie mit nichts beschäftigt waren,<br />

außer dass sie irgendwo rumsaßen, rumstanden, rumliefen, und während meiner Ortsbesichtigung<br />

wurde ich zwölf Zigaretten los. Und obwohl ich noch nicht mit der blau-weiß gestreiften<br />

Kittelbluse bekleidet war, wurde ich dennoch zwölfmal angesprochen, wie wenn man’s mir<br />

ansähe, was ich für einer wäre, denn man sprach mich mit ‚Bruder‘ an: „Bruder, haben Sie<br />

mal ’ne Zigarette für mich?“ Und da überall welche rauchten, nahm ich an, rauchen wäre den<br />

Insassen erlaubt; ich dürft’ also Ja sagen. Und rauchen war den Leutchen tatsächlich erlaubt,<br />

wenn auch nur in Maßen; es noch zusätzlich fördern sollten wir Brüder nicht. „Nein“, sollt’<br />

ich sagen, wenn mich unten im Dorf wer nach einer Zigarette anhaute, so hört’ ich noch am<br />

selben Tag den Hausvater sagen: Die „da unten“, die kriegten, was sie brauchten, und mehr<br />

als entschieden worden war, dass sie brauchten, brauchten sie auch nicht. Was ich nicht hätte<br />

wissen können, aber jetzt, da ich’s wüsste, wäre es gut, ich hielte mich daran. – Und ich<br />

wusste sogleich, das wusst’ ich auf Anhieb, dass ich mich nicht daran halten würde.<br />

4<br />

Dorf Emmaus beäugt, und zu all dem Beäugten absolut noch keine Meinung, stapfte ich<br />

die Lazarusstraße wieder aufwärts, und Gottesruh erreicht, fand ich mich im Speisesaal,<br />

Haus 1, Zugang B, zur abendlichen Tischgemeinschaft ein, sprich: zum Abendessen.<br />

Der Speisesaal befand sich im Erdgeschoß des Haupthauses und unmittelbar angrenzend<br />

an der Hausmutter Reich, die Küche. Und an den täglichen Tischgemeinschaften, morgens<br />

halb acht, mittags halb eins, abends halb sieben, nahmen von den Altersheim-Bewohnern all<br />

jene teil, die noch gut oder zumindest halbwegs gut zu Fuß waren, oder die wir Brüder per<br />

Rollstuhl noch einigermaßen unaufwändig verfrachten konnten, nämlich bis ran an drei lange<br />

Tafeln, und quer zu diesen Tischen der Personaltisch, der Tisch für die Hauseltern und die<br />

Brüder sowie das Küchenpersonal; das durfte sich neuerdings auch mit ransetzen, denn des<br />

Küchenpersonals Extra-Tisch hinter den Kulissen, nämlich in der Geschirrkammer hinter der<br />

Küche, der war, so hört’ ich, als nicht mehr zeitgemäß vor zwei Monaten abgeschafft worden.<br />

Seit Juni wenigstens zu den Mahlzeiten eine gewisse Gleichstellung, also weniger Hierarchie.<br />

Was ich nun alles zum ersten Mal erlebte, denn zum Mittagessen war ich nicht rechtzeitig<br />

angekommen. Was nicht hieß, dass man mich nach meiner Ankunft bis zum Abend hatte<br />

hungern lassen; nee, nee, ich kriegte umgehend von der Hausmutter zwei Klappstullen auf die<br />

Hand, aber die hatte ich nicht im Speisesaal, sondern im Büro des Hausvaters verdrückt. Mein<br />

Platz im Speisesaal wurde mir erst jetzt zugewiesen; jetzt, da ich auch allen im Speisesaal<br />

Versammelten vom Hausvater vorgestellt wurde, „alle mal herhör’n, der junger Mann, den<br />

Sie hier sehen, das ist der Bruder Mathesius, der kommt aus Elbberge und wird hier ab morgen...“<br />

und so weiter, und so weiter. Zum Glück ging’s ab ohne viel Schmus, und wir uns<br />

sodann nach dem Tischgebet alle gesetzt, auf denn ans Zulangen, da sackte, als müsste man<br />

mir sogleich demonstrieren, Essensruhe relativ, an Tafel drei einer von den Heimbewohnern<br />

rumsbums, na Hoppla, vom Stuhl, verschwappte im Abwärtssacken seinen und seiner Nachbarn<br />

Kräutertee und plumpste auf die blitzblank gebohnerten Dielen. – Auf sprangen die Diakone-Brüder<br />

Seibold und Lorenz, und mich zerrte der Lorenz fürs Zupacken mit, damit ich es<br />

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