Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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Und wenige Atemzüge später war ich allein. Zehn nach halb fünf war’s inzwischen.<br />
Wurde Zeit, dass ich mich wieder ans Arbeiten machte. – Gut, Herr Bergemann hatte sich von<br />
allein erledigt, aber da war noch der Herr Trolle, der war auch immer Sonnabendnachmittag<br />
mit dem Baden dran. Der Mann ein Bettlägeriger, 91 Jahre alt, gut zwei Zentner schwer und<br />
steif wie’n Klotz. Zudem stumm wie’n Fisch; Herr Trolle hatte das Sprechen aufgegeben.<br />
Und wenn Blicke hätten töten können, wäre ich schon mehrmals hin gewesen. Aber was half<br />
es; der Mann musste in die Wanne. Also Rollstuhl geholt und los.<br />
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Emmaus im Abenddösen; zwanzig Minuten nach acht, früher war ich oben nicht losgekommen;<br />
hier noch was und da noch was. Na so das Übliche; Feierabend Punkt um, wann<br />
gab’s das schon. Außerdem hatte mich noch Herr Schubert abgepasst, weil er sich doch<br />
schämen täte; ich wäre so gut zu ihm gewesen, und er hätte mich angeflunkert. „Aber nich’ in<br />
allem, Bruder. Mir hinten was verpasst, das hat mir wirklich noch keiner. Da kriegen Sie mich<br />
ganz und gar jungfräulich, das is’ so, das können Sie mir glauben. Und ich tu Sie auch nie<br />
wieder anflunkern. <strong>Das</strong> mach’ ich wirklich nich’ noch mal. Und sobald wir Zeit haben, Bruder,<br />
da erzähl ich Ihnen haarklein wie das früher so alles mit mir war. <strong>Das</strong> mit dem Justus von<br />
der Lilli. Da nehm’ ich kein Blatt mehr vorm Mund. Ich weiß ja jetzt, woran ich mit Ihnen<br />
bin.“<br />
„Na dann is’ ja gut, Herr Schubert. – Sie, ich hab’s eilig, ich muss runter ins Dorf, da<br />
warten sie auf mich.“<br />
„Wo denn? Bei Pastor Kluge?“<br />
„Nee, nee, das is’ was ganz Privates.“<br />
„Na dann mal viel Spaß. Auch für morgen. Morgen haben Sie doch frei, oder?“<br />
„Ja, ja, morgen hab’ ich frei.“<br />
„Und wie is’et Montag, ich meine mit uns beiden?“<br />
„Sie, darüber reden wir Montag, ja.“<br />
„Na gut, ich komm auf Sie zu, Bruder, und vielleicht können Sie’s ja einrichten. Ich bin<br />
doch so mächtig drauf aus.“<br />
Emmaus im Abenddösen; zwanzig nach acht, und kurz hinterm Dorfanger, und es hätte<br />
mich auch gewundert, wenn mich mal keiner angehauen hätte, aber jetzt, kurz hinterm Dorfanger,<br />
da kam wer auf mich zu: „Hallo Bruder, haben Sie mal ’ne Zigarette für mich?“ – Ja,<br />
hatt’ ich, zumal ich inzwischen wusste, die Leutchen unten im Dorf kriegten, wenn sie überhaupt<br />
Taschengeld in die Hand kriegten, im Monat nicht etwa fünfzehn Mark, wie unsere<br />
Heimbewohner oben in Gottesruh, sondern lediglich lumpige sieben Mark fünfzig, und damit<br />
war nicht gut Raucher sein, auch wenn die Zigarette nur acht oder zehn Pfennige kostete.<br />
Und Pfeiferauchen oder Zigarettendrehen, was noch etwas billiger gekommen wäre, war den<br />
Insassen da unten untersagt. Nicht dass da welche, man wusste ja nie... also wenn man nicht<br />
aufpasste, da rauchten sie am Ende womöglich Laub oder Gras oder Kiefernnadeln. – Ja, ja,<br />
konnt’ schon sein, aber wie dem auch war, arm waren sie dran, die Kerle da unten, und da<br />
durft’ ich doch nicht Nein sagen, wenn mich einer nach ’ner Zigarette anhaute. Also wenn ich<br />
Zigaretten stecken hatte, und an diesem Samstagabend, da hatte ich welche stecken, und da<br />
gab ich nun also, das war mir kein Problem, mir lediglich peinlich, dass der Bursche mir aus<br />
lauter Dankbarkeit die Hand küsste. – „Nee Sie, nich’ so was machen.“<br />
„Aber ich muss mir doch irgendwie erkenntlich zeigen, Bruder.“<br />
„Nee, müssen Sie nich’, geh’n Sie mal rauchen.“<br />
„Warum sagen Sie denn ‚Sie‘, können Sie mir nich’ leiden?“<br />
„Wieso, Sie sagen doch zu mir auch ‚Sie‘.“<br />
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