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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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Tatsächlich, der Kerl fast sechsundsiebzig und schon wieder einen Riemen. – „Na was<br />

sagen Sie dazu, Bruder? Ich ein alter Knacker, und noch so was von geil. Aber trotzdem,<br />

Bruder, beim nächsten Mal müssen Sie trotzdem erst mich, und dann meinetwegen ich wieder<br />

Sie, aber vorher bügeln Sie mich, sonst ist das zwischen uns nicht perfekt. Und außerdem: ich<br />

will Sie als Liebhaber erleben. Mal sehen wie das ist, wenn einen einer kirre macht, wie ich<br />

immer den Kalle. Der war nämlich danach immer regelrecht benebelt.“<br />

„Ja, ja, aber jetzt müssen Sie geh’n. Und wenn Sie draußen einer sieht, Sie was fragt,<br />

dann sagen Sie, Sie haben mich besucht und sich mit mir unterhalten.“<br />

„Gut, das sag’ ich. Ist ja auch nicht mal gelogen, unterhalten haben wir uns ja tatsächlich<br />

zwischendurch.“<br />

„Stimmt, haben wir. Und nun raus mit Ihnen, ich hab’ gleich wieder Dienst.“<br />

„Ach Gott, Sie Armer. – Na dann mal bis zum nächsten Mal. Und nicht vergessen: zuerst<br />

werd’ ich dann gebügelt. Und dass Sie dann ja kein Pardon mit mir haben. <strong>Das</strong> hatte ich mit<br />

Ihnen ja auch nicht.“<br />

„Ja, ja, is’ ja gut, hau’n Sie ab.“<br />

Und Herr Schubert, der nickte, und Herr Schubert verschwand. Und ich glättete mein Laken,<br />

schob den Vorhang zur Seite, öffnete das Fenster und begann, was sollt’ sein, na nun mal<br />

los, meinen Dienst. Und da galt es zunächst, die Herren Luckner, Korbmeier, Schraffmann zu<br />

baden. Und Letzterer, der Herr Schraffmann, 78 Jahre alt, wog nahezu drei Zentner und war<br />

nahezu unbeweglich; den aus dem Bett gehievt, in die Wanne verfrachtet, abgeschrubbt, wieder<br />

rausbugsiert, ins Bett gepackt, war ich wie immer klatschnaß, kein trockner Faden an mir,<br />

ich musste mich umziehen, und dies erledigt, ich wieder dienstbereit, musst’ ich ins Bettendepot<br />

auf dem Wirtschaftshof, ich brauchte eine neue Matratze für den Herrn Klagegern, Obergeschoss,<br />

zweites Zimmer rechts; und dem Mann, 83, sein Name Programm. Otto Klagegern<br />

klagte und beklagte sich ständig, sobald ihm wer begegnete. Zum Glück konnte er damit seinem<br />

Zimmergenossen, dem Herrn Pigor, nicht auf die Nerven gehen; Herr Pigor, 91, ertaubt,<br />

aber ansonsten... Herr Klagegern war auf unserem Anwesen von morgens bis abends unausgesetzt<br />

unterwegs, sich sein Publikum zu suchen. Wobei er in Gottesruh beileibe nicht der<br />

Einzige war, der zu klagen und sich zu beklagen verstand, aber niemand war diesbezüglich so<br />

penetrant wie Herr Klagegern. Da hatte selbst ich mir inzwischen angewöhnt, kam der Mann<br />

auf mich zu, sofort, wenn’s nur irgend ging, zu rufen: „Keine Zeit, Herr Klagegern, keine<br />

Zeit.“<br />

„Ja, ja, aber hör’n Sie mal, Bruder –“<br />

„– jetzt nicht, Herr Klagegern, später vielleicht.“ Und weg war ich. Aber nun musst’ ich<br />

hin. An dem Nachmittag, von dem ich hier erzähle, war’s mir nicht möglich, Herrn Klagegern<br />

zu entgehen; der Mann hatte tatsächlich mal nicht aus einer Manie heraus geklagt, sich beklagt.<br />

Seine Bettstatt ihm nun wirklich kaum noch zumutbar; das Lager arg huckelig ausgelegen,<br />

und da wir am Vortag endlich drei vom Sattler unten aus dem Dorf aufgearbeitete Matratzen<br />

zurückbekommen hatten, konnte dem Mann nun geholfen werden, obwohl es der<br />

Mann so nicht betrachtete, während ich an seinem Bett zugange war, er neben mir stand. –<br />

„Na, das werden ja jetzt Nächte werden, ich werd’ keen Auge zukriegen. Oder denken Sie<br />

etwa, ich find’ auf dem neuen Ding hier auch nur ein Fitzelchen Schlaf. Nee, nee, det denken<br />

Sie mal nich’, Bruder. Die Hölle wird’s werden. Ob Sie det nun glauben oder nich’, aber so<br />

ein alter Menschen wie ich, der kann sich doch nich’ von einen Tag zum andern umstellen.<br />

Det kann man, wenn man jung is’, da kann man ja allet, aber doch nich’, wenn man alt is’ und<br />

dann auch noch tausenderlei Krankheit hat. An mir is’ doch rein nichts mehr intakt. <strong>Das</strong>s ich<br />

überhaupt noch auf meinen Beinen stehe, das is’ doch nur, weil einer wie ich keinem zur Last<br />

fallen will. Nur deshalb zwing ich mich doch morgens aus’m Bett, aber von Rechts wegen<br />

müsst’ ich längst ganz anders betreut werden. Im Grunde bin ich doch seit Jahren bettlägerig.<br />

Und dass ich trotzdem morgens noch aufstehe, das is’ beileibe nich’, weil ich noch die Kraft<br />

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