Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer
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hinten auf dem Anwesen, vor einem niedrigen Staketenzaun mit Tor, da war das nächste<br />
Schild. Was man dahinten sollte oder nicht durfte, wo es hinter dem Zäunchen nach Stallungen<br />
und ’ner Scheune aussah, konnt’ ich allerdings von da, wo ich jetzt stand und Sommersonne<br />
mir im Gesicht, nicht lesen; aber hätte ich es umgehend lesen können, hätte ich umgehend<br />
erfahren: Heimbewohnern und ihren Gästen ist das Betreten des Wirtschaftshofes<br />
untersagt. – Warum, hab’ ich nie rausgefunden. <strong>Das</strong> war eben so; da hatten die Alten<br />
nichts zu suchen. Wirtschaftshof war Wirtschaftshof. Der übrigens mit den Stallungen und der<br />
Scheune den Eindruck machte, als wäre Gottesruh ein Altersheim mit angegliedertem Bauernhof,<br />
und auf dem hielte man Vieh, aber dem war nicht so. Bis auf ein Schwein, das man<br />
von den Küchenabfällen mästete, und bis auf das Pferd fürs Pferdefuhrwerk, um ranzuschaffen,<br />
was ranzuschaffen war, gab’s kein Getier mehr in Gottesruh. Ich erfuhr gleich am ersten<br />
Tag: 1954 hätte eine Maul- und Klauenseuche dem Viehbestand im Anstaltsdorf Emmaus<br />
derart gravierend den Garaus gemacht, dass man seitdem auf eine Tierhaltung und die daraus<br />
resultierende Selbstversorgung mit Fleisch etc. weitestgehend verzichtete. Unabhängig von<br />
der landesweit mal besser, mal schlechter daherkommenden Versorgungslage wäre man in<br />
Emmaus nur noch bei allem, was die Feld- und Obstplantagenwirtschaft so hergäbe, und davon<br />
profitierte auch das Altersheim, obwohl Gottesruh mit dem Ackerbau selbstverständlich<br />
nichts zu schaffen hätte; den besorgten alle arbeitsfähigen Insassen der Häuser unten im Dorf.<br />
Allerdings nur unter strenger diakonischer Aufsicht, sonst würde es nichts. Die Kranken wären<br />
zwar zumeist alles kräftige Burschen, „je verblödeter, um so kräftiger“, aber zumeist auch<br />
stinkend faul. Eh die einen Finger krumm machten, müsste man sie schon gehörig antreiben.<br />
Aber wenn man sie in Trab hielte, dann machten sie schon, was zu machen wäre, so wurde<br />
mir kundgetan, der mir auch kundgetan wurde, dass früher, als es in Gottesruh noch Viehzeug<br />
gegeben hätte, da hätten die Diakone dies nebenher mit zu versorgen gehabt. Füttern,<br />
Ställe ausmisten, Kühe melken... so was hätte früher auch noch zum Dienst gehört. – Was ich<br />
aber alles noch nicht wusste, das Gottesruh-Anwesen nun zum ersten Mal im Blick, und mir<br />
im Blick die vielen Gebots- und Verbotshinweise auf (wie mir schien) unverhältnismäßig<br />
großen weißemaillierten, schwarz beschrifteten Schildern. Kein anheimelnder Anblick. Und<br />
ansonsten... na ja irgendwie Friedhofsruhe. Kein Mensch zu sehen, wie ich so übers maschendrahtumzäunte<br />
Anwesen schaute, das sich von der Lazarusstraße aus in den Wald hinein erstreckte.<br />
Überhaupt viel Wald in der Gegend, so mein erster Eindruck, der sich dann auch<br />
bestätigte: Die Gnadenfelder Anstalten samt Ackerland und Obstplantagen und einer recht<br />
ansehnlichen Gärtnerei rundum von weitläufigem dichtem Kiefernforst umgeben. Wald und<br />
nochmals Wald; ich kam mir vor wie aus der Welt gefallen..<br />
„Ja, da haben Sie in gewisser Weise recht, Bruder Mathesius. Jedenfalls wenn wir von all<br />
dem Elend absehen, dass der HErr uns anheimgegeben hat, auf dass wir uns dieses Elends<br />
erbarmen“, sagte Pastor Kluge, Anstaltsleiter, Gemeindepfarrer, Bürgermeister in einer Person,<br />
und ich bei dieser Person vorgesprochen, um mich ihr vorzustellen. – „Am besten gleich<br />
heute Nachmittag. Denn wenn Sie erst Ihren Dienst angetreten haben, ist hier schlecht wegkommen“,<br />
hatte es geheißen, als ich in Gottesruh im Haus 1, ich beim Zugang A beklommenen<br />
Herzens angeklopft, Köfferchen in der Hand, Aktentasche unterm Arm, willkommen<br />
geheißen worden war. Zunächst von den sogenannten Hauseltern, Hausmutter, Hausvater.<br />
Und der Hausvater, Bruder Paechter, 38 Jahre alt, künftig mein Chef, der hatte mich auch<br />
gleich wissen lassen, die Diakone samt den Diakonischen Helfern, die hießen in Emmaus<br />
nicht Herr sowieso, sondern Bruder sowieso.<br />
„Also ab heute ‚Bruder‘, Bruder Mathesius. Und nun zeige ich Ihnen erst einmal Ihr<br />
Zimmer. Sie wohnen im Haus zwei, hier das Haus gleich gegenüber. Ihr Fenster geht allerdings<br />
nach der anderen Seite raus. Da schauen Sie auf Haus drei. Unsere Einrichtung besteht<br />
aus drei Häusern, also aus diesem hier, und den beiden da drüben. <strong>Das</strong> heißt, wir beherbergen<br />
zur Zeit insgesamt hundertzwölf Insassen. Einundzwanzig von denen leider schwere Pflege-<br />
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