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Das Männerdorf 1 - Hermann W. Prignitzer

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keinen Grund, dass sie sich dran halten müssten, würde Ihnen so was angetragen. Und das<br />

kann sich auch Boche ausmalen, deshalb wird er bei Ihnen vorsichtiger sein als damals bei<br />

dem Bruder Oberländer, der hier ja ein Vorpraktikum auf dem Wege zum Diakon absolviert<br />

hat, also sozusagen im eigenen Nest saß, das man bekanntlich tunlichst nicht beschmutzen<br />

sollte, wenn man es braucht. – Na ja, aber trotzdem: Seien Sie auf der Hut. Die Katze lässt das<br />

Mausen nicht, das wissen Sie ja.“<br />

„Ja, ja, aber bisher war nichts. Herr Boche verhält sich korrekt.“<br />

„Außer dass er Sie über Gebühr beansprucht, wenn Sie ihn abends ins Bett bringen. Ich<br />

habe mir sagen lassen, bei Ihnen darf er sogar noch ein oder zwei Zigaretten rauchen, bevor er<br />

zum Liegen kommt.“<br />

„Ist das schlimm?“<br />

„Nein, nein, ist ja Ihre Zeit, die Sie da drangeben, und auf Grund des Taschengelds, das<br />

Boche bewilligt gekriegt hat, seit er nicht mehr ausstaffiert werden muss, kann er sich den<br />

Mehrverbrauch an Zigaretten ja auch durchaus leisten. Der kriegt doch monatlich nicht nur<br />

fünfzehn Mark wie die Anderen, der kriegt ja inzwischen fünfundzwanzig. Na eigentlich<br />

kriegt er dreißig. Aber mit monatlich fünf Mark zahlt er immer noch das kleine Radio ab, das<br />

ihm vom Anstaltsleiter zugebilligt wurde. Hieß eines Tages, wo Boche doch sonst schon<br />

nichts mehr vom Leben hätte, und da er ja in einem Einzelzimmer untergebracht wäre, könnte<br />

er ja auch niemanden stören. – Ja gut, stimmt, stören kann er keinen, aber trotzdem... reichlich<br />

viel Privilegien, wenn man bedenkt, was der Mann womöglich alles auf dem Kerbholz hat.<br />

Und nun haben wir ihn auch noch in die Lage versetzt, die Musik seines Favoriten zu hören.<br />

Wissen sie, dass er Wagner über alles liebt?“<br />

„Nee.“<br />

„Aber Sie wissen, was es mit Wagner mal auf sich hatte?“<br />

„Nee, was denn?“<br />

„In der Schule nicht gelernt, dass das Hitlers Lieblingskomponist war?“<br />

„Nee.“<br />

„War er aber. Und Boche seiner ist es auch. <strong>Das</strong> werden Sie erst so richtig merken, wenn<br />

er nächstes Jahr im Sommer aus Bayreuth eine Radioübertragung nach der anderen hört und<br />

wie er Sie dann beknien wird, ihn erst dann ins Bett zu bringen, wenn er solche Oper bis zum<br />

letzten Ton verfolgt hat. Aber dazu hat sich hier bisher nur Oberländer breitschlagen lassen.<br />

Und was war die Quittung? Boche gedacht, nun hätte er den jungen Mann da, wo er ihn hin<br />

haben möchte. Nun kann er ihm sonstwas antragen. Der sagt zu nichts mehr Nein. Also aufpassen,<br />

Bruder Mathesius. Mitgefühl in allen Ehren, aber mit Sinn und Verstand.“<br />

„Ja, ja, ich hab’ schon verstanden, aber ich hab’ mal ’ne Frage: Woher wissen Sie eigentlich,<br />

dass ich Herrn Boche abends mitunter ’ne Zigarette rauchen lasse? Von ihm selbst?“<br />

„Nein nicht von ihm selbst. Bruder Lorenz ist gestern abend runter zur Poststelle, wollte<br />

einen Brief in den Kasten werfen.“<br />

„Ach so, da ist er gleich hinten zum seitlichen Tor raus und konnt’ dadurch Herrn Boche<br />

ins Fenster gucken.“<br />

„Richtig. Und als er von unten wieder hochgekommen ist, waren Sie mit Boche noch<br />

immer am Rauchen. Konnt’ auf keinen Fall noch die erste sein.“<br />

„Und was hat Bruder Lorenz davon, dass er so was breittritt?“<br />

„In diesem Falle nichts, und von mir sowieso nichts, aber Bruder Paechter ist für jede Information<br />

dankbar. Also hält Lorenz Augen und Ohren auf. Und das gestern Abend Gesichtete<br />

hat er, wie ich von Frau Matzke weiß, heute Vormittag in der Küche zum Besten gegeben.<br />

Im Beisein der Hausmutter, und das ist so viel, wie gleich zu Paechter gelaufen. Und der<br />

Tenor seines Tratschens: Bruder Matthesius scheint dem Boche neuerdings übermäßig viel<br />

Zeit zu widmen. Wenn das mal gutginge und andre kämen dadurch nicht eines Tages zu kurz,<br />

und so weiter, und so weiter.– Nur dass Sie Bescheid wissen, Bruder Mathesius: Lorenz ist<br />

ein falscher Fuffziger.“<br />

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