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Stele und Legende - Oapen

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Die GroÄe Revolte gegen Narām-SÇn 93<br />

gleichzeitige Verwendung mehrerer Sprachen <strong>und</strong> Schriftsysteme (wie etwa der<br />

Keilschrift <strong>und</strong> dem aramÉischen Alphabet im 1. Jts.) <strong>und</strong> die soziale Verteilung<br />

von LiteralitÉt bei der Betrachtung jeder Epoche <strong>und</strong> jedes Raums mitberÑcksichtigt<br />

werden mÑssen. Ungeachtet dieses vielgestaltigen Bildes, das die<br />

Verbreitung der LiteralitÉt in Mesopotamien bietet, ist sie doch nirgends mit<br />

modernen VerhÉltnissen allgemein literaler Kulturen vergleichbar, in denen die<br />

mÑndliche ErzÉhlung als Medium der Tradition fast vollstÉndig verschw<strong>und</strong>en<br />

ist <strong>und</strong> dort, wo mÑndlich erzÉhlt wird, fast stets ohne lÉngere Umwege schriftliterarische<br />

Quellen auszumachen sind. Die Annahme einer reichen mÑndlichen<br />

ErzÉhlkultur im alten Mesopotamien ist demnach sehr wahrscheinlich, <strong>und</strong> ein<br />

gegenteiliges Modell widersprÉche allem, was die Folkloristik in begrenzt<br />

literalen Gesellschaften beobachten konnte. Dass es als Teil dieser mÑndlichen<br />

ErzÉhlkultur auch Sagen <strong>und</strong> Epen Ñber die Akkade-Kánige Teil gegeben hatte,<br />

kann ebenfalls als wahrscheinlich eingestuft werden. Die Annahme wird vor<br />

allem durch die epischen, in dritter Person erzÉhlenden <strong>Legende</strong>n gestÑtzt, in<br />

denen sich narrative <strong>und</strong> motivische Reflexe sagenhafter ErzÉhlungen <strong>und</strong> Stoffe<br />

wiederfinden. Schlagendstes Beispiel hierfÑr ist die gewiss auf mÑndliche<br />

ErzÉhlungen zurÑckgehende Geburtslegende Sargons, die einen folkloristisch<br />

weltweit nachweisbaren ErzÉhlstoff verwendet: Einem Kind wird die Herrschaft<br />

prophezeit, woraufhin es ausgesetzt wird, in der Fremde aufwÉchst, schlieÄlich<br />

heimkehrt <strong>und</strong> entsprechend der Prophezeihung zur Herrschaft aufsteigt. 112<br />

Indem der Stoff den Aufstieg eines Untertanen nicht-kániglicher Herkunft zur<br />

Herrschaft erzÉhlt, entspricht er einer mÉrchenhaften, vielfÉltig in volksmÑndlichen<br />

äberlieferungen beobachtbaren Weltsicht, die B. Alster einmal als “ideology<br />

of the folktale” bezeichnete. 113 Auf mÑndliche äberlieferungen scheinen z. T.<br />

auch die Informationen in den „historischen Omina“ zurÑckzugehen, die von<br />

Sargon <strong>und</strong> Narām-SÇn berichten. SchlieÄlich ist anzunehmen, dass die mÑndliche<br />

äberlieferung Ñber die Akkade-Zeit einen erheblichen Anteil daran gehabt<br />

hatte, dass das historische Interesse an dieser ruhmvoll erinnerten Epoche Ñber<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte <strong>und</strong> Jahrtausende hinweg lebendig blieb. Die greifbaren Hinterlassenschaften<br />

der Akkade-Kánige in Form von <strong>Stele</strong>n, Statuen, Bau- <strong>und</strong> Weihinschriften<br />

bildeten fÑr dieses historische Interesse nur das unmittelbare Material,<br />

an dem es sich, nicht zuletzt in Form von fiktionalen ErzÉhlwerken, vergewissern<br />

konnte.<br />

112 Vgl. B. Lewis, The Sargon Legend, 149 ff. Sargons Aufstieg wird Éhnlich auch in<br />

der altbabylonischen Version der Sumerischen Kánigsliste (vgl. T. Jacobsen, Sumerian<br />

King List, 110 f.) <strong>und</strong> der Sumerischen Sargonlegende (vgl. J. S. Cooper / W. Heimpel,<br />

JAOS 103 [1983], 67–82) reflektiert, die ihrerseits einen schwachen Reflex im bisher als<br />

„Weidner-Chronik“ bekannten literarischen Brief erfÉhrt (vgl. A. K. Grayson, ABC, 148<br />

Z. 46–48; F. N. H. Al-Rawi, Iraq 52 [1990], 5 Z. S 14–16).<br />

113 Vgl. B. Alster, Oral or Aural?, 56–59, insbesondere 57 mit Anm. 122; auch ders.,<br />

Fs. Moran, 59–72; CANE 4 (1995), 2315–2326.

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