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Stele und Legende - Oapen

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Literarische FiktionalitÇt im alten Orient 153<br />

ernst entlastet ist <strong>und</strong> die Rollendistanz bewusst hÇlt, wird die lustvolle Selbsterfahrung<br />

im Ausleben einer Rolle <strong>und</strong> aber auch die kritische Reflexion von<br />

Rollen mÄglich. Mit dieser Auffassung korrespondiert Jauà’ Ausdifferenzierung<br />

der verschiedenen Modi Çsthetischer Identifikation, 42 die die kultische Partizipation<br />

des GlÇubigen an Ritualen <strong>und</strong> religiÄsen Inszenierungen aus der Çsthetischen<br />

Erfahrung ausklammern will:<br />

Dem Mythos vom sterbenden Gott, wie er aus Vegetationskulten <strong>und</strong> spÇter aus<br />

Hochreligionen bekannt ist, wÇre die Çsthetische Einstellung so wenig angemessen<br />

wie die moralische Identifikation; er erfordert auf der Seite der Rezeption die<br />

EntÇuàerung des Subjekts an die Gemeinschaft der Kulthandlung. (Ästhet. Erfahrung<br />

u. literar. Hermeneutik, 247 f.).<br />

Sofern Jauà unter der Çsthetischen Einstellung allein die bewusst gehaltene<br />

Rollendistanz versteht, ist ihm hier gewiss zuzustimmen; die „EntÇuàerung“ des<br />

Subjekts, d. h. seine unbedingte Identifikation mit seiner im Kult vorgesehenen<br />

Rolle – <strong>und</strong> sei es nur die rudimentÇre Rolle des „Zuschauers“, um im kultischen<br />

theatrum m<strong>und</strong>i der Gottesverehrung die Masse des Volkes als Teil der kosmischen<br />

Ordnung zu figurieren – ist in der Tat die dem Sinn des Kultes einzig<br />

angemessene Einstellung. Die kultische Rolle wÇre damit soziale Rolle. Doch<br />

sind soziale <strong>und</strong> Çsthetische Rollen wirklich so simpel auseinanderzuhalten?<br />

Bedingt ein „Sich-Genieàen“ in einer imaginÇr eingenommenen Çsthetischen<br />

Rolle nicht ebenso eine – wenigstens zeitweilige – „EntÇuàerung“ an dieselbe,<br />

wie das „Sich-Genieàen“ in der bejahenden, von der harten Alltagswirklichkeit<br />

entbindenden âbernahme einer kultischen Rolle mÄglich, wenn nicht gar erwartbar<br />

ist? Wenn schlieàlich das „Sich-Genieàen“ den „Selbstgenuss im Fremdgenuss“<br />

bedeutet, d. h. die subjektive Extension <strong>und</strong> Perspektivierung durch die<br />

Erfahrung anderer, von der Alltagswirklichkeit entbindender Rollen, <strong>und</strong> damit<br />

weitgehend zusammenfÇllt mit den Auswirkungen der Funkionen des Fiktiven,<br />

wird gerade mit Blick auf die hÇufig ekstatische Anderserfahrung im Kult nicht<br />

mehr einsichtig, warum die WirkmÇchtigkeit dessen, was Jauà das çsthetische<br />

<strong>und</strong> Iser das Fiktive nennt, so unverbrÅchlich mit der reflexiven Selbstbewusstheit<br />

dieses Geschehens verb<strong>und</strong>en sein soll. Jauà scheut sich nicht, das<br />

Vorurteil, das in seinem theoretischen Entwurf enthalten ist, ganz unverstellt,<br />

wenn auch beilÇufig zu artikulieren, wenn er die Identifikation innerhalb einer<br />

dem Kult analogen Çsthetischen Spielgemeinschaft – das profane Fest oder eine<br />

„aus literarischer Kommunikation abgeleitete Form von Geselligkeit“ – stÇndig<br />

vor die Entscheidung gestellt sieht, „zum Genuà freien Daseins [zu] gelangen“<br />

oder aber „negativen Falls in die Unfreiheit kollektiver Identifikation mit archaischen<br />

Ritualen zurÅck[zu]fallen“. 43 Offenk<strong>und</strong>ig ist hier der çsthetikbegriff der<br />

bÅrgerlichen Emanzipation des 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts am Werke, der Çltere<br />

42 Vgl. ibid., 244–292.<br />

43 Vgl. ibid., 248.

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