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Stele und Legende - Oapen

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Šar tamḫāri 275<br />

Elemente des „abstrakten MÇrchenstils“, den LÄthi beschreibt, sind zweifellos<br />

universale Mittel der VolkserzÇhlung <strong>und</strong> nicht nur auf das eigentliche MÇrchen<br />

im engeren Sinn oder auf Europa beschrÇnkt. Zum Teil spiegeln sie sich auch in<br />

den epischen ErzÇhlwerken des alten Orients. Ihr Vorhandensein allein sagt noch<br />

wenig Äber die Funktionen der jeweiligen Literaturwerke aus. Erst der Zusammenhang<br />

aller Beobachtungen zur Gestaltung des Textes kÅnnen ein zuverlÇssiges<br />

Bild der intendierten literarischen Wirkung vermitteln.<br />

FÄr die universale Allverb<strong>und</strong>enheit der Figuren <strong>und</strong> Begebenheiten lassen<br />

sich noch weitere ZÄge anfÄhren. So hÇlt Sargon nach seinem Sieg dem unterworfenen<br />

Nūr-daggal dessen hochmÄtige Rede in fast exakt demselben Wortlaut<br />

vor, 74 ohne dass der ErzÇhler eine ErklÇrung darÄber fÄr nÅtig erachtete, wie<br />

Sargon von dem Wortlaut dieser Rede oder der Rede Äberhaupt wissen kann.<br />

Sargons Wissen ist unvermittelt, <strong>und</strong> im GefÄge des epischen Schauspiels stellt<br />

sich die Frage danach auch nicht zwingend ein. Der ErklÇrungsspielraum bleibt<br />

gleichwohl offen: Vielleicht hat sich Sargon Nūr-daggals Rede berichten lassen?<br />

Der Text schweigt darÄber als unwesentliches Detail hinweg.<br />

èhnlich mag es sich vielleicht mit Nūr-daggals hybrider Rede selbst verhalten.<br />

Gesetzt, dass Nūr-daggals Kenntnis von Sargon nicht, wie weiter oben<br />

angenommen wurde, durch einen Traum von Enlil vermittelt worden ist – wÄrde<br />

dies das VerstÇndnis der ErzÇhlung wesentlich verÇndern? Kaum, denn fehlte die<br />

ErklÇrung, warum Nūr-daggal Äber Sargon Bescheid weiâ, wÄrde dieser Umstand<br />

problemlos dem abstrakten Stil der VolkserzÇhlung zugeschrieben werden<br />

kÅnnen <strong>und</strong> ein weiteres Beispiel fÄr die universale Allverb<strong>und</strong>enheit darstellen,<br />

die vom Rezipienten kaum hinterfragt worden sein dÄrfte. Gleichwohl bliebe<br />

auch hier dem ZuhÅrer oder Leser ein imaginativer Spielraum: WÇre es z. B.<br />

nicht ganz natÄrlich anzunehmen, dass Nūr-daggal von dem Äberragendsten aller<br />

KÅnige, dem groâen Sargon, schon einmal gehÅrt hat, zumal sein Kontakt mit<br />

den Kaufleuten, die auf Sargon geschworen haben, in der ErzÇhlhandlung<br />

vorausgesetzt wird?<br />

10.2.4. Die ironische Distanz des Geschehens<br />

An der Schilderung der Eroberung Purušḫandas springt neben seiner episch<br />

prÇzisen FÄgung ein meines Erachtens sehr wesentlicher Zug ins Auge: seine<br />

Komik. Schon der noch nicht geschlossene M<strong>und</strong> Nūr-daggals, dem gerade eine<br />

Rede vÅlliger Selbstsicherheit entfahren ist, vermochte gewiss schon damals im<br />

Kontrast zum plÅtzlich hereinbrechenden Fiasko komisches VergnÄgen auszulÅsen.<br />

75 Und dass von den Soldaten auf Purušḫandas Wehrmauer ausgesagt wird,<br />

74 Vgl. Rev. 16ä–18ä.<br />

75 Der Fall liegt vÅllig anders in der sumerischen ErzÇhlung „Gilgameš <strong>und</strong> Akka“,<br />

dessen Szene von der Niederwerfung Akkas H. L. J. Vanstiphout mit der Niederwerfung

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