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Stele und Legende - Oapen

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274 Šar tamḫāri<br />

Nūr-daggal amāta [i]štu pçšu ul uqattç Šarru-kēn iḫtappara ālšu 2 ikÜ<br />

bāb rubé urtappiš [itt]adušu mēli dūrīšu issalitma imḫaṣ kala ša karāna<br />

šubbÜ eṭlūtušu<br />

Nūr-daggal hatte das Wort aus seinem M<strong>und</strong>e noch nicht beendet, da<br />

untergrub Sargon schon seine Stadt, weitete das ,Tor der Notablen‘ (?)<br />

um zwei ikÜ-Spannen <strong>und</strong> [wa]rf es nieder. Ihre Mauerkrone durchbrach<br />

er <strong>und</strong> schlug alle seiner weintrunkenen MÇnner.<br />

Wie ein Blitz fÇhrt Sargon in die Stadt hinein, unterminiert <strong>und</strong> durchbricht<br />

mÄhelos ihre Wehrmauer <strong>und</strong> trÇgt augenblicklich den militÇrischen Erfolg davon.<br />

Die PlÅtzlichkeit des Geschehens wird durch den noch nicht geschlossenen<br />

M<strong>und</strong> Nūr-daggals eindeutig, ergibt sich also nicht etwa aus dem sparsamen<br />

epischen Stil, mit der die ErzÇhlung ansonsten gestaltet ist. Ganz im Gegenteil<br />

wird kontrÇr zu diesem Stil gerade dieser fulminante Augenblick in auffÇlliger<br />

Wahrnehmungsdichte prÇsentiert. Dass Sargon die Wehrmauer zunÇchst untergrÇbt,<br />

ihr Tor um immerhin 120 Meter aufbricht, es niederwirft <strong>und</strong> die Mauerkrone<br />

durchschneidet – all das ist dem ErzÇhler wichtig genug, um es wiederzugeben,<br />

<strong>und</strong> ergibt im Verein mit den betonenden, vom gewÅhnlichen ErzÇhl-<br />

PrÇteritum abweichenden Perfektformen (iḫtappara, urtappiš, ittadušu <strong>und</strong> issalitma)<br />

eine besondere Dynamik der Darstellungsweise.<br />

Das dramatische Auf-die-Spitze-Treiben des epischen Geschehens in einem<br />

einzigen Augenblick lÇsst einen Kontrast <strong>und</strong> PrÇgnanz liebenden ErzÇhlstil erkennen,<br />

der aus der VolkserzÇhlung wohlvertraut ist. Das prÇzise Zusammentreffen<br />

von Nūr-daggals kaum beendeter hybrider Rede <strong>und</strong> Sargons Eintreffen<br />

vor den Mauern Purušḫandas entspricht trefflich der „universalen Allverb<strong>und</strong>enheit“,<br />

die Max LÄthi an den Figuren <strong>und</strong> Begebenheiten des MÇrchens beobachtet<br />

hat <strong>und</strong> die das Geschehen, das die Figuren ergreift <strong>und</strong> fÄhrt, unsichtbar<br />

miteinander koordiniert. LÄthi schrieb dazu:<br />

Man hat es Zufall genannt, daâ im ZwÅlfbrÄdermÇrchen die Heldin gerade erst in<br />

dem Augenblick zum Tode verurteilt <strong>und</strong> zum Scheiterhaufen gefÄhrt wird, als<br />

die drei- oder siebenjÇhrige Frist der VerwÄnschung fÄr ihre BrÄder eben abgelaufen<br />

ist, so daâ diese zur Rettung herbeieilen <strong>und</strong> die Schwester noch unversehrt<br />

aus dem Feuer reiâen kÅnnen. Dieses genaue Aufeinanderpassen der Situationen<br />

ist aber nichts anderes als eine Konsequenz des abstrakten MÇrchenstils.<br />

Die beiden Çuâerlich vÅllig isolierten VorgÇnge: das Vertrauen des kÅniglichen<br />

Gemahls geht endlich verloren – die Zeit der VerwÄnschungen ist endlich abgelaufen<br />

– sind auf unsichtbare Weise koordiniert. Ihr Zusammenfall ist nicht<br />

Zufall, sondern PrÇzision. [ . . . ] Wir empfinden ihn nicht als „eingerichtet“ <strong>und</strong><br />

nicht als „Zufall“; denn er entspricht vollkommen dem Stil, den das ganze MÇrchen<br />

durchdringt. Er wird mÅglich durch das, was im MÇrchen auch alles andere<br />

beherrscht: durch die Isolation <strong>und</strong> universale BeziehungsfÇhigkeit. (Das europÉische<br />

VolksmÉrchen, 51 f.)

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