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Stele und Legende - Oapen

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Der „literarische narÄ“ als Definitionsproblem 129<br />

Nabonid-Inschriften bewegt sich jedoch gehaltlich ganz im althergebrachten<br />

Darstellungsparadigma der KÇnigsinschriften, das den KÇnig <strong>und</strong> seine Taten<br />

uneingeschrÖnkt feiert <strong>und</strong> anders als die Kuta-<strong>Legende</strong> keine kritische<br />

Reflexion des kÇniglichen Ichs kennt. Wohl werden manchmal in den von<br />

Schaudig angefÉhrten Inschriften wie in der Kuta-<strong>Legende</strong> auch bedrohliche bis<br />

desastrÇse VerhÖltnisse geschildert, so z. B. Aufruhr, Hungersnot <strong>und</strong> Éber das<br />

Land kommende Krankheit, 87 doch wird das Unheil dann nie auf ein Fehlverhalten<br />

des KÇnigs zurÉckgefÉhrt. Im angefÉhrten Beispiel wird es damit<br />

erklÖrt, dass das Volk an den GÇttern Frevel geÉbt hatte <strong>und</strong> sich daher die<br />

GÇtter vom Land abwandten. An anderer Stelle, wo Nabonid im arabischen Exil<br />

von Krankheit geschlagen ist <strong>und</strong> sein Unheil in der Phraseologie des „leidenden<br />

Gerechten“ aus ludlul bēl nēmeqi schildert, bleibt der Gr<strong>und</strong> des Leidens wie im<br />

literarischen Vorbild im Dunkeln, hervorgehoben aber wird die Wiedergenesung,<br />

die als Zeichen der erneuerten gÇttlichen Gunst Nabonids erklÖrt wird. 88<br />

Ob sich die Verfasser der Inschriften Nabonids an die Kuta-<strong>Legende</strong> angelehnt<br />

haben oder nicht – entscheidend bleibt, dass sie nirgends eine kritische Darstellung<br />

des KÇnigs hervorbrachten, weil sich ihnen Derartiges in einer Auftragsarbeit<br />

kÇniglicher Selbstdarstellung von selbst verbot. Dies zeigt, dass die<br />

literate Elite die darstellerischen Unterschiede beider Genres durchaus wahrnahm<br />

<strong>und</strong> lÖsst daran zweifeln, ob sie die Kuta-<strong>Legende</strong> tatsÖchlich als authentische,<br />

unverfÖlscht Éberlieferte Inschrift Narām-SÅns aufgefasst hatte. 89<br />

2.14 II 28’ ff.). So heiÑt es entgegen der Ébrigen Inschriften zum Neubau des Ebabbar zu<br />

Sippar, in denen stets Narām-SÅns F<strong>und</strong>amente hervorgehoben werden, in Text 2.14,<br />

Zeilen I 14’ff. (vgl. Nabonid, 448), dass es die F<strong>und</strong>amente Sargons gewesen seien, die<br />

Nabonid wiederentdeckte <strong>und</strong> zum Gr<strong>und</strong>riss des Neubaus nahm. In der „Royal<br />

Chronicle“ wird gar berichtet, dass Nabonid ein in den F<strong>und</strong>amenten Ebabbars<br />

gef<strong>und</strong>enes KÇnigsbild Sargons von Akkade wieder restaurieren <strong>und</strong> im Ebabbar<br />

aufstellen lieÑ (Text P4, vgl. Nabonid, 592, Zeilen III 29’ ff.). Bei alledem ist auch im<br />

Auge zu behalten, dass der Topos der Belehrung kÉnftiger KÇnige am Ende einer<br />

Inschrift bereits altbabylonisch im KḪ bezeugt ist (s. oben S. 107 f.), so dass eine<br />

Tradition dieses Mittels innerhalb des Genres authentischer KÇnigsinschriften, an die<br />

Nabonid anknÉpfen konnte, nicht ausgeschlossen ist (fÉr die These, dass die lehrhafte<br />

Botschaft im KḪ von fiktionalen narÄs inspiriert wurde, vgl. G. Jonker, Topography,<br />

106).<br />

87 Vgl. die Ḫarrān-<strong>Stele</strong> (Text 3.1), Zeilen I 14ff. (Schaudig, Nabonid, 488 f.).<br />

88 Ḫarrān-<strong>Stele</strong> (Text 3.1), Zeilen III 1ff. (Schaudig, Nabonid, 493 f.).<br />

89 Vgl. dazu noch ausfÉhrlicher unten S. 172 f. <strong>und</strong> 186 f., auch S. 146 ff. Davon<br />

unberÉhrt bleibt die Frage nach der damals von den Schreibern in der Kuta-<strong>Legende</strong><br />

erblickten geschichtlichen Wahrheit, in der sich ihrer Ansicht nach zugleich eine hÇhere<br />

gÇttliche Wahrheit offenbarte.

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