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Stele und Legende - Oapen

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112 Der „literarische narÄ“ als Definitionsproblem<br />

T. Longman III. hat mit Recht darauf hingewiesen, dass entgegen der althergebrachten<br />

<strong>und</strong> noch von B. Lewis unterschriebenen Auffassung diese Passage<br />

nicht als eine explizite Handlungsanweisung gelesen werden kann, die direkt an<br />

einen spÖteren KÇnig gerichtet ist. 43 Sie ist hierin nicht mit der Kuta-<strong>Legende</strong><br />

vergleichbar. Im indefiniten Adressaten – mannu šarru ša ilé arkīja – <strong>und</strong> der<br />

langen Reihe der in dritter Person von ihm sprechenden Prekative drÉckt sich<br />

auf grammatischer Ebene lediglich ein Segenswunsch gegenÉber jeglichem<br />

kÉnftigen KÇnig aus. Der kÉnftige KÇnig mÇge mit einer ebenso langen Regierungszeit<br />

wie Sargon gesegnet sein <strong>und</strong> dieselben Heldentaten vollbringen, wie<br />

sie Sargon vermocht hatte. In diesem Wunsch, geÖuÑert vom legendÖren altakkadischen<br />

KÇnig, ist ein heroisches Ideal formuliert, das im Assyrien des ersten<br />

Jahrtausends besondere Relevanz fÉr die Staatsideologie besaÑ. Das Werk, so<br />

die opinio communis, ist in seiner vorliegenden Form aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach unter Sargon II. von Assyrien entstanden, 44 <strong>und</strong> wenn es auch unzweifelhaft<br />

ist, dass das im Text entfaltete Ideal der Welteroberung <strong>und</strong> -Beherrschung<br />

keine Neuerung der Assyrer darstellt, sondern bereits in den altakkadischen<br />

Originalinschriften <strong>und</strong> den altbabylonischen âberlieferungen Éber Sargon von<br />

Akkade anzutreffen ist, so korrespondiert es doch mit dem assyrischen politischen<br />

Programm der Errichtung eines groÑen Imperiums <strong>und</strong> nimmt sich wie<br />

eine ideologische F<strong>und</strong>ierung dieses Programms aus.<br />

Die „Lehre“ oder „Moral“ der SegenswÉnsche in der Geburtslegende besteht<br />

somit im Herausstreichen des heroischen Ideals, das nach dem Willen des Textes<br />

den erfolgreichen <strong>und</strong> recht geleiteten Herrscher qualifiziert. VordergrÉndig der<br />

Wunsch Sargons von Akkade nach einer zukÉnftigen dauerhaften <strong>und</strong> rechten<br />

Herrschaft, impliziert der Segen auch eine Handlungsanweisung fÉr jeden<br />

Herrscher, der diesem Ideal entsprechen mÇchte. Doch auch sie ist gewiss noch<br />

im Horizont der literarischen Fiktion angesiedelt gewesen. Die primÖre Funktion<br />

des Textes dÉrfte zu Zeiten Sargons II. weitaus handfester gewesen sein: Indem<br />

die Zeitgenossen Sargons II. das im Text angesprochene imperiale Ideal verwirklicht<br />

sahen, sollte das Werk offenbaren, dass Sargon II. tatsÖchlich „ein<br />

neuer Sargon“ war – wÉrdig, den Namen seines legendÖren VorgÖngers zu<br />

tragen, <strong>und</strong> legitimiert durch die SegenswÉnsche aus dessen eigenem M<strong>und</strong>e. 45<br />

Ob man im Falle der Geburtslegende noch von einer „didaktischen Botschaft“<br />

oder „Moral“ sprechen mÇchte oder nicht, hÖngt davon ab, ob man wie<br />

T. Longman III. geneigt ist, nur eine direkte Handlungsanweisung in Imperativen<br />

so zu bezeichnen, oder ob man darÉber hinaus auch den indirekt, Östhetisch<br />

43 Vgl. T. Longman III., Fictional Akkadian Autobiography, 56 f.<br />

44 Vgl. die ausfÉhrliche Diskussion dieser Frage bei B. Lewis, The Sargon Legend, 97–<br />

107. Wie fÉr Sargons Geburtslegende wird auch fÉr die Sargon-Geographie angenommen,<br />

dass sie aus denselben hegemonialen Impulsen heraus unter Sargon II. entstand;<br />

vgl. dazu M. van de Mieroop, Fs. Renger (1999), 325–339.<br />

45 Vgl. B. Lewis, The Sargon Legend, 106.

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