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Stele und Legende - Oapen

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218 „Sargon, der Eroberer“ (AO 6702)<br />

Es bleibt, einen letzten Aspekt der Waldepisode zu diskutieren. J.-J. Glassner<br />

hat im Anschluss an E. Cassin <strong>und</strong> anderen die These vertreten, dass die Sargon<br />

widerfahrende Lichterscheinung im finsteren Wald motivgeschichtlich mit dem<br />

Strahlenglanz Ḫuwawas, der Gilgameš den Weg durch den finsteren Wald weist,<br />

zu verbinden sei. 95 Wenn Sargon als ein Held prÇsentiert wird, der in der Ferne<br />

einen dunklen, feindlichen Wald durchschreitet, so hatte sicherlich diese Szene<br />

im Walderlebnis des mythischen Helden Gilgameš ihre literarische Folie. In<br />

Sargons Tat scheint somit zugleich die Tat des mythischen Helden auf; Sargon<br />

wird zu einem verjÉngten, in die historische Welt geholten Gilgameš. Die<br />

Parallele ergibt sich m. E. jedoch in erster Linie aus dem Motiv des finsteren<br />

Waldes selbst, nicht aber aus der Lichterscheinung, die in beiden Waldepisoden<br />

eine erzÇhllogische Konsequenz der Finsternis darstellt. Die Lichterscheinung ist<br />

bei Gilgameš vÑllig anderer Natur, worauf Glassner auch selbst hingewiesen hat.<br />

Mehr als das Gr<strong>und</strong>motiv – ein w<strong>und</strong>ersames Licht fÉhrt den Helden durch<br />

einen finsteren Wald – wird sich in einem Vergleich beider Episoden unter<br />

literarhistorischer <strong>und</strong> literarfunktionaler Perspektive nicht aufzeigen lassen. 96<br />

Auf eine andere, einleuchtendere mythologische Parallele der Waldepisode<br />

zum Gilgameš-Epos hat jÉngst K. Metzler hingewiesen. 97 Er sieht die Dunkelheit,<br />

die Sargon zu durchqueren hat, in motivgeschichtlichem Zusammenhang<br />

mit der Dunkelheit, die Gilgameš in der neunten Tafel des ZwÑlftafelepos<br />

durchquert. In beiden FÇllen ist die Dunkelheit in einer Gegend am Ende der<br />

Welt vorgestellt, <strong>und</strong> beide Male liegt jenseits der Passage ein Land, das das Begehr<br />

des Helden zu erfÉllen verheiÜt. In beiden Episoden wird dem Helden eine<br />

Figur gegenÉbergestellt, deren Name jeweils mit dem Begehr des Helden zu<br />

verbinden ist. So sucht Gilgameš jenseits des Dunkels nach dem ewigen Leben<br />

<strong>und</strong> trifft auf den unsterblichen Weisen „Ūta-na’ištim“ bzw. „Ūt-napištim“,<br />

dessen Name etwa mit „Er fand des Lebens“ zu Ébersetzen ist (dazu sogleich),<br />

wÇhrend Sargon nach einem endlosen, die ganze Welt umfassenden Reich<br />

trachtet <strong>und</strong> das Land des „Ūta-rapaštim“ erreicht, dessen Name entsprechend<br />

„Er fand der Weite“ zu Ébertragen wÇre. 98 Die MÑglichkeit, dass diese beiden<br />

Namen in einem engen Zusammenhang stehen, der offenk<strong>und</strong>ig mit der narrativen<br />

Motivierung des epischen Helden zu tun hat, hat schon J. G. Westenholz<br />

gesehen:<br />

95<br />

Vgl. J.-J. Glassner RA 79 (1985), 123 mit Fn. 54 (Literatur).<br />

96<br />

Zur Kritik an komparatistischen Versuchen Éber AO 6702 <strong>und</strong> dem Šar tamḫāri vgl.<br />

unten S. 284 ff. Abschnitt 10.4.2.<br />

97<br />

Tempora, 455 Anm. 531.<br />

98<br />

Zum Namen Ūta-napišti <strong>und</strong> seiner Verbindung mit Ūta-rapaštim vgl. A. R. George,<br />

The Babylonian Gilgamesh Epic, 152–155; speziell zu Ūta-rapaštim vgl. J. Nougayrol,<br />

RA 45 (1951), 174 zu Z. 58; J. G. Westenholz, Legends, 57 f. <strong>und</strong> 69 f.; unten S. 288–<br />

290.

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