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Stele und Legende - Oapen

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Der „literarische narÄ“ als Definitionsproblem 109<br />

etwas Anderes im Blick hat als die Lehre, die der Leser aus den fatalen Erlebnissen<br />

Narām-SÅns ziehen mÇge. Narām-SÅn ist auch in der altbabylonischen<br />

Fassung der Kuta-<strong>Legende</strong> kein heldenhafter, alle WiderstÖnde Éberwindender<br />

KÇnig, der Bew<strong>und</strong>erung abverlangte. Die erhaltenen Passagen sind eng mit den<br />

jÉngeren Fassungen zu vergleichen: Narām-SÅn schickt Tausende von Soldaten<br />

vergeblich in den Kampf gegen die feindlichen Horden, von denen keiner lebend<br />

zurÉckkehrt; wie in der ninivitischen Fassung verzweifelt Narām-SÅn am UnglÉck<br />

seiner Regentschaft; „durch das ZÉrnen der GÇtter“ (ina ezēz ilī, Kol. iv<br />

14î) wird das Land Akkade von den Feinden vollstÖndig vernichtet. Die GÇtter<br />

haben sich von Narām-SÅn abgewendet – die GrÉnde bleiben wie in den jÉngeren<br />

Fassungen unklar – <strong>und</strong> Narām-SÅn ist es nicht mÇglich, unter diesen<br />

UmstÖnden irgendwie gegen die von den GÇttern geschickten Feinde erfolgreich<br />

zu sein. 36<br />

Ist somit fÉr die altbabylonische Kuta-<strong>Legende</strong> wie fÉr ihre jungbabylonische<br />

Fassung eine didaktische Funktion zu deduzieren <strong>und</strong> Galters Ansicht, nach der<br />

sich diese Funktion erst im spÖten zweiten Jahrtausend ausprÖgte, zu verwerfen,<br />

stellt sich die Frage, ob vielleicht die exemplarische Zielsetzung der Autoren fÉr<br />

die Definition der „narÄ-Literatur“ an sich von sek<strong>und</strong>Örer Bedeutung sein<br />

kÇnnte. Ist die didaktische Botschaft am Textende eine notwendige Bedingung<br />

fÉr die Zurechnung eines literarischen Werkes zum Genre der „narÄ-Literatur“?<br />

Diese Frage lenkt den Blick zunÖchst auf das Problem, die didaktische Funktion<br />

nÖher zu spezifizieren. In gewissem Sinne lieÑe sich nÖmlich fÉr viele erzÖhlende<br />

Werke des alten Orients, in dem Menschen die TrÖger der Handlung<br />

darstellen, eine exemplarische Funktion feststellen, indem sie rechtes oder falsches<br />

menschliches Handeln vor Augen stellen <strong>und</strong> mehr oder minder mittelbar<br />

auf Verhaltensregeln Bezug nehmen. 37 Wo jeweils im Einzelnen der âbergang<br />

zwischen der exemplarischen <strong>und</strong> der „erbauenden Funktion“, wie Galter es<br />

nennt, 38 d. h. dem Östhetischen Verstehen von menschlichem Verhalten, anzusiedeln<br />

ist, dÉrfte allemal unterschiedlich beurteilt werden. Gleichwohl sollten<br />

diejenigen „literarischen narÄs“, die eine didaktische Botschaft am Textschluss<br />

Éberliefert haben, klare Anhaltspunkte dafÉr liefern, wie diese zu definieren sei.<br />

stone, Court Poetry, 64) verifiziert. Die ErgÖnzung des altbabylonischen Stichons ist<br />

damit hÇchstwahrscheinlich korrekt.<br />

36 Mit Öhnlichen Argumenten, aber ohne Rekurs auf den Kodex Ḫammurapi, hat bereits<br />

H. G. GÉterbock, ZA 42 (1934), 76 postuliert, dass fÉr die altbabylonische Fassung der<br />

Kuta-<strong>Legende</strong>, die er noch als eigenstÖndiges Werk ansah („Su-ili-Text“), „dieselbe<br />

resignierende ,Moral‘ anzunehmen [ist], wie sie in den ninivitischen StÉcken angesprochen<br />

wird“.<br />

37 So spricht J. G. Westenholz, Legends, 20 davon, dass „didacticism“ ein Charakteristikum<br />

vieler akkadischer Werke sei. Als ein Beispiel nennt sie das Erra-Epos (vgl. L.<br />

Cagni, SANE 1/3 [1977], 71 f.).<br />

38 ibid., 78.

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