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Stele und Legende - Oapen

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MAD 1 172 49<br />

The transfer of deeds to the wrong names, while the events themselves were<br />

remembered well enough to be recognizable, proves both the antiquity and the<br />

basically oral character of the tradition. (OBO 160/3 [1999], 23)<br />

Meines Erachtens ist hier grÇÉere Vorsicht angebracht. Gewiss sind sÅmtliche<br />

Themen, Motive <strong>und</strong> literarischen Mittel der <strong>Legende</strong>n, die nicht aus Inschriften<br />

stammen, entweder einer literarischen oder aber einer mÄndlichen Tradition entnommen<br />

worden. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sie lediglich<br />

VersatzstÄcke aus diesen Traditionen darstellen, die die Schreiber kreativ zu<br />

neuen Werken zusammenfÄgten. P. Michalowski charakterisiert die „historische“<br />

Ñberlieferung Äber die Akkade-Zeit sehr treffend, wenn er schreibt:<br />

For early Mesopotamian civilizations ‘history’ was a space that informed the<br />

present, and to this end they rewrote Akkad in various ways throughout the centuries.<br />

(Akkad, 89)<br />

Die Schreiber haben sich in der dichterischen Umgestaltung der historischen<br />

Ñberlieferung kaum minder frei gefÄhlt wie die mÄndlichen ErzÅhler. Ob ihnen<br />

die historische Ñberlieferung dabei verschriftet oder oral vermittelt war, ist im<br />

Einzelfall ÅuÉerst schwierig zu klÅren, allein am erzÅhlerischen Mittel der Verdichtung<br />

der Geschichte in Gestalten <strong>und</strong> signifikanten Ereignissen aber nicht<br />

festzumachen. Wo die Verwendung einer schriftlichen Quelle zweifelsfrei nachweisbar<br />

ist, lÅsst sich aufzeigen, dass sich die Schreiber keineswegs stets prÅzise<br />

an ihre Quelle hielten; vielmehr weiteten sie sie ihren Zielsetzungen gemÅÉ aus,<br />

exzerpierten sie oder strukturierten sie um. Die detaillierte Untersuchung der<br />

altbabylonischen Versionen der GroÉen Revolte, die im nÅchsten Kapitel vorgenommen<br />

wird, wird dies eindrucksvoll aufzeigen. Weitere Beispiele sind die<br />

erheblichen Divergenzen in den verschiedenen Versionen der Kuta-<strong>Legende</strong> <strong>und</strong><br />

der Šar tamḫāri-ErzÅhlung. Ein besonders schlagendes Beispiel „historiographischer<br />

WillkÄr“ offenbart sich im Ur-III-zeitlichen Fragment der Sumerischen<br />

KÇnigsliste, das jÄngst P. Steinkeller verÇffentlicht hat: Hier ist die Struktur der<br />

Dynastienabfolge eine gr<strong>und</strong>sÅtzlich andere als in der altbabylonischen Fassung<br />

des Werks. 68<br />

A. Westenholz stÄtzt seine Hypothese einer dominant mÄndlichen Ñberlieferung<br />

der legendarischen Werke mit der Behauptung, dass die <strong>Legende</strong>n ihre<br />

Stoffe gr<strong>und</strong>sÅtzlich nicht aus den Inschriften der Akkade-KÇnige geschÇpft<br />

68 Vgl. oben S. 47 Anm. 62. Dass im Falle der Sumerischen KÇnigsliste gewiss politische<br />

Motive die Umgestaltung befÇrdert haben, ist dabei unerheblich. Auch die hier<br />

untersuchten legendarischen Werke werden aus den verschiedendsten GrÄnden umgestaltet<br />

worden sein: Um neue oder abweichende Quellen (mÄndliche oder schriftliche)<br />

zu integrieren, um die ErzÅhlung straffer, effektvoller zu gestalten oder auf ein bestimmtes<br />

Aussageziel hin zuzuschneiden, oder gleichfalls um politische Ziele mit der <strong>Legende</strong><br />

zu unterstÄtzen.

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