06.01.2013 Aufrufe

Stele und Legende - Oapen

Stele und Legende - Oapen

Stele und Legende - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Der „literarische narû“ als Definitionsproblem 119<br />

gearbeitet hat. 59 Nur fÉr diese Distinktion <strong>und</strong> die mit ihr verb<strong>und</strong>enen literarischen<br />

Funktionen, die fÉr beide FÖlle verschieden zu bestimmen sind, kann der<br />

Begriff der FiktionalitÖt Éberhaupt sinnvoll verwendet werden.<br />

Die formalen <strong>und</strong> inhaltlichen Merkmale, nach denen Longman eine fiktionale<br />

Autobiographie identifiziert, machen bei der Mehrzahl der Texte nur<br />

feine Unterschiede gegenÉber den authentischen KÇnigsinschriften aus <strong>und</strong> sind<br />

selten von kategorialer Art. Longman stellt zu Recht fest:<br />

Nonfictional first-person Akkadian inscriptions [ . . . ] manifest essentially the<br />

same characteristics as the fictional autobiographies, with the exception that they<br />

were composed contemporaneously with the monarchs whom they extol. (Autobiography,<br />

199 f.)<br />

Es sind zumeist spezifische Merkmale, die Longman das Fingiertsein eines<br />

Textes erkennbar machen. Diese kÇnnen inhaltlicher Art sein, etwa wenn ein<br />

fingierter Autobiograph die gesamte Spanne seines Lebens bis zu seinem Tode<br />

erzÖhlt wie in Sargons Geburtslegende oder in der Adad-guppi-Inschrift, 60 oder<br />

sprachgeschichtlicher Art, wie z. B. in der Agum-kakrime-Inschrift, deren Éberlieferte<br />

Textzeugen aus den Bibliotheken Ninives keinen mittelbabylonischen<br />

Duktus nachzuempfinden versuchen <strong>und</strong> Éberdies Lexeme <strong>und</strong> Schreibungen<br />

enthalten, die aus mittelbabylonischer Zeit unbekannt sind. 61 Generell konstatiert<br />

Longman zwar eine Tendenz des Genres, die Darstellung von ursprÉnglich<br />

historischen Ereignissen mit „many non-historical/folkloristic motifs“ anzureichern,<br />

62 doch trifft dieses Merkmal nur fÉr einen Teil der von ihm untersuchten<br />

Werke zu <strong>und</strong> ist nicht kennzeichnend fÉr das Genre an sich. Zudem ist es problematisch,<br />

wenn “non-historical/folkloristic motives” die FiktionalitÖt eines<br />

Textes erweisen sollen, denn dies impliziert die Annahme, dass im Gegensatz<br />

dazu die authentischen Inschriften tendenziell zur historisch getreueren Darstellung<br />

neigen – eine Auffassung, die der Natur der Inschriften nicht gerecht<br />

wÉrde.<br />

Insofern die distinktiven formalen <strong>und</strong> inhaltlichen Charakteristika der fiktionalen<br />

Autobiographien heterogen sind <strong>und</strong> zumeist von der Kontextualisierung<br />

des jeweiligen Werkes in seinen literarhistorischen Horizont abhÖngen, verweisen<br />

sie auf die gr<strong>und</strong>legend pragmatische Orientierung des so umrissenen<br />

Genres, das sich ansonsten nicht von den KÇnigsinschriften trennen lÖsst. Folgerichtig<br />

macht Longman in der FiktionalitÖt selbst denn auch das entscheidende<br />

59 Erinnerlich machte genau an dieser Differenz bereits A. K. Grayson seinen Begriff<br />

von der „Pseudo-Autobiographie“ fest, vgl. oben S. 99.<br />

60 Vgl. Autobiography, 56 <strong>und</strong> 101 f.<br />

61 Vgl. Autobiography, 87.<br />

62 Autobiography, 69.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!