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Stele und Legende - Oapen

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Der „literarische narû“ als Definitionsproblem 131<br />

didaktische Botschaft fÉr das Genre nicht distinktiv, da auch viele altorientalische<br />

Werke exemplarisch sind, die nicht den fiktionalen narûs angehÇren. 92<br />

Aufgr<strong>und</strong> der inhaltlich offenen Bandbreite lÖsst sich die Gattung am sinnvollsten<br />

als ein literarischer Rahmen begreifen, in den die unterschiedlichsten<br />

Themen mit verschiedenen Wirkungsabsichten eingespannt werden konnten.<br />

Als ein zentrales Problem der Forschung hat sich die Kennzeichnung der<br />

Gattung als „fiktional“ bzw. „nicht-authentisch“ herausgestellt, da zumeist<br />

unklar blieb, welche produktions- wie rezeptionsÖsthetischen Funktionen mit<br />

dieser Bestimmung verb<strong>und</strong>en waren. Praktisch sÖmtliche Assyriologen, die sich<br />

mit der hier diskutierten Textgruppe auseinander gesetzt haben, sahen die FiktionalitÖt<br />

bzw. Nicht-AuthentizitÖt der Texte fÉr ein unverzichtbares Merkmal<br />

der Gruppe an. Nichts anderes hatten die bisher vorgeschlagenen Kennzeichnungen<br />

„literarisch“, „dichterisch“, „poetisch“, „Pseudo-“ bzw. „fiktional“ zum<br />

Ausdruck bringen wollen, die alle erst im Kontrast zur Gattung der authentischen<br />

KÇnigsinschriften nÇtig geworden waren. Wurde wie bei M.-C. Ludwig,<br />

B. Pongratz-Leisten <strong>und</strong> W. Schaudig das Kriterium der FiktionalitÖt ausgeblendet,<br />

ergab dies eine Indifferenz der Textgruppe mit den authentischen<br />

Inschriften, die angesichts der Entstehung, Tradierung, Funktionsweise <strong>und</strong><br />

meistenteils auch der formalen <strong>und</strong> inhaltlichen Unterschiede nicht gerechtfertigt<br />

ist. Trotz der fast einhelligen fiktionalen Kennzeichung wurde allerdings zumeist<br />

gleichzeitig angenommen, dass die fiktionalen narûs von ihrem Publikum wie<br />

authentische narûs rezipiert wurden. Sie wurden nach dieser Ansicht uneingeschrÖnkt<br />

fÉr „wahr“ gehalten. Ob dieses Modell der vergangenen Textwahrnehmung<br />

den literarischen Funktionen der Texte gemÖÑ ist <strong>und</strong> mit FiktionalitÖt<br />

bezeichnet werden sollte, ein Begriff, der damit ganz der kritischen<br />

Bewertung aus heutiger Perspektive verhaftet bliebe <strong>und</strong> im Horizont der<br />

altorientalischen Rezeption keine Referenz besÖÑe, ist eine Kernfrage, die im<br />

nÖchsten Kapitel zu beantworten versucht wird.<br />

92 Vgl. oben S. 109 mit Anm. 37.

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