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Stele und Legende - Oapen

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Literarische FiktionalitÇt im alten Orient 157<br />

Theoretikers <strong>und</strong> seines Fiktionsbegriffs, die in eine ihm fremde Welt eingreift.<br />

Es ist der Theoretiker, der kraft seiner heuristischen Modelle bestimmt, wo<br />

jeweils die Grenzen zwischen RealitÇten <strong>und</strong> Fiktionen verlaufen. Im Erfahrungshorizont<br />

der untersuchten Epochen <strong>und</strong> Kulturen brauchen diese Grenzen<br />

nicht wahrgenommen worden zu sein <strong>und</strong> hatten dann fÅr ihre Subjekte auch<br />

nicht existiert – das gilt vor allem fÅr den sinnstiftenden Kult <strong>und</strong> Mythos. Das<br />

jeweils subjektiv oder epochal geb<strong>und</strong>ene, dogmatisch f<strong>und</strong>ierte Urteil Åber die<br />

Wahrhaftigkeit Çsthetischer Diskurse kollidiert daher unweigerlich mit dem Fiktionsverdikt<br />

der aufgeklÇrten, zeitgenÄssischen Theorien, die ihrerseits letztlich<br />

epochal geb<strong>und</strong>ene Verstehensfiguren darstellen. Diese kritische, historisch verortete<br />

Herkunft des Fiktionsbegriffs in Isers literarischer Anthropologie mit aller<br />

Deutlichkeit bewusst zu halten, scheint mir wesentlich, will man den eigenen mit<br />

dem fremden Fiktionsbegriff nicht auf Schritt <strong>und</strong> Tritt verwechseln <strong>und</strong> vor<br />

allem nicht in einen unkritischen Substantialismus zurÅckfallen, der das eigene<br />

Fiktionsurteil in universaler Geltung erstarren lieàe.<br />

6.2. Zusammenfassung der theoretischen Diskussion<br />

Bei der RÅckbeziehung der Diskussion auf die Abgrenzung <strong>und</strong> Beschreibung<br />

des Genres fiktionaler narûs sind folgende gr<strong>und</strong>legende Erkenntnisse hervorzuheben:<br />

1. Literarische FiktionalitÇt charakterisiert sich durch „Akte des Fingierens“,<br />

die mit Iser als Selektion, Rekombination <strong>und</strong> Selbstanzeige zu bestimmen sind.<br />

Die literarische Fiktion wÇhlt Elemente der auàertextuellen RealitÇt aus, um sie<br />

in einer spezifischen Weise aufeinander zuzuordnen, die den vertrauten Sinnsystemen,<br />

aus denen die rekombinierten RealitÇten entnommen wurden, nicht<br />

entspricht. Die Selektion <strong>und</strong> Rekombination erfolgt zum Zwecke der imaginativen<br />

Erstellung eines anderen Sinns 50 , sie sind ein Mechanismus der Relationierung<br />

<strong>und</strong> Umstrukturierung von Wirklichkeiten, um so Åber dieselben hinaus<br />

sein zu kÄnnen. Von daher lÇsst sich literarische FiktionalitÇt gr<strong>und</strong>sÇtzlich als<br />

Modus imaginativer GrenzÅberschreitung beschreiben.<br />

2. Selbstangezeigt sind literarische Fiktionen nur insofern, als sie durch eine<br />

Reihe von „Fiktionssignalen“, die gesellschaftlich prÇdisponiert <strong>und</strong> somit kulturhistorisch<br />

variabel sind, darÅber vororientieren, wie die Fiktionen zu rezipieren<br />

sind: in einer offenen, freiwilligen, die Alltagswirklichkeit mit ihren Themen<br />

<strong>und</strong> pragmatischen Kommunikationsmodi suspendierenden Einstellung. Die<br />

50 Dieser „andere“ Sinn muss gleichwohl nicht „neu“ sein, wie in den modernen FiktionalitÇtstheorien<br />

bisweilen vorausgesetzt wird. Vielmehr ist von distinktiver Bedeutung<br />

gegenÅber „realer“ Sinnsysteme, dass der fiktional erstellte Sinn nicht anders als Åber<br />

fiktionale Imagination eingeholt werden kann.

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