06.01.2013 Aufrufe

Stele und Legende - Oapen

Stele und Legende - Oapen

Stele und Legende - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der „literarische narû“ als Definitionsproblem 107<br />

als literarisches Vorbild gedient habe. Sie enthÖlt gewiss keine “true narrative”,<br />

doch sind alle Teile einer KÇnigsinschrift in klaren Konturen vorhanden: eine<br />

anfÖngliche Selbstvorstellung, der Bericht eigener Taten <strong>und</strong> eine abschlieÑende<br />

Segensformel, die an einen kÉnftigen Herrscher gerichtet ist. Die erste Kolumne<br />

des Textes B muss demgemÖÑ unbedingt im Zusammenhang mit der „narû-<br />

Literatur“ gesehen werden. Die Verbindung der ersten mit der zweiten Kolumne<br />

hingegen ist vermutlich als eine Kombination verschiedener Gattungen zu einem<br />

literarischen Ganzen zu erklÖren, dessen Charakterisierung solange nicht<br />

gelingen kann, solange der Text der zweiten Kolumne sowie der RÉckseite von<br />

B nicht umfassender bekannt ist. 32<br />

5.5.2. Sind literarische narû stets didaktisch?<br />

Ein Argument in Galters Kritik ist sein Postulat, dass die didaktische Funktion,<br />

die sich in den Ölteren Werken aufgr<strong>und</strong> ihres fragmentarischen Zustands nicht<br />

zwingend erweisen lÖsst, nur einen sek<strong>und</strong>Ören Bestandteil der Gattung darstellt,<br />

der erst seit dem Ende des zweiten Jahrtausends in sie eingedrungen ist.<br />

Eine historisch-lehrhafte Ausrichtung [der Kuta-<strong>Legende</strong>] ist erst fÉr die Exemplare<br />

des ersten Jahrtausends nachweisbar. Die MÇglichkeit einer didaktischen<br />

Funktion frÉherer Fassungen wird dadurch natÉrlich nicht ausgeschlossen, sie<br />

muÑ aber derzeit als sek<strong>und</strong>Örer Bestandteil der Tradition gewertet werden. Auch<br />

das zweite Werk mit lehrhaftem Charakter, die Geburtslegende Sargons, ist nur<br />

in spÖten Kopien erhalten. [ . . . ] Damit fÉgen sich diese beiden Texte nahtlos in<br />

jene ab dem 12. Jahrh<strong>und</strong>ert in zunehmendem MaÑ belegbare Gruppe von Literaturwerken<br />

ein, die an Hand historischer bzw. quasihistorischer Beispiele allgemeingÉltige<br />

Verhaltensregeln zu propagieren suchen. (CRRA 32 [1986], 77) 33<br />

Dem ist entgegenzuhalten, dass bereits in altbabylonischer Zeit die âberzeugung<br />

nachweisbar ist, mit der Niederschrift herrscherlicher Taten spÖteren FÉrsten ein<br />

zur Nachahmung empfohlenes Vorbild rechter Herrschaft zu Éberliefern. Besonders<br />

klar wird dieser Gedanke im Epilog des Kodex Hammurapi formuliert (Kol.<br />

xlviii 59 – 94): 34<br />

32 B. Lewis, The Sargon Legend, 92 f. zog hier den Kodex Ḫammurapi zum Vergleich<br />

heran, dessen Epilog fÉr sich genommen die Struktur einer vollstÖndigen KÇnigsinschrift<br />

aufweist, <strong>und</strong> schrieb: “Similarly, we cannot completely exclude the possibility that the<br />

first 30 lines of the Legend belong to a prologue that also resembled a narû in microcosm.”<br />

Dieses Modell der Textgestalt hat m. E. die grÇÑte PlausibilitÖt fÉr sich.<br />

33 Zu dieser exemplarischen Gruppe rechnet Galter die „Synchronistische Geschichte“,<br />

die „Weidner-Chronik“, die „Šulgi-Prophetie“, den „FÉrstenspiegel“ <strong>und</strong> die „Unterweltsvision<br />

eines assyrischen Prinzen“.<br />

34 Vgl. R. Borger, BAL 2 I, 46 f.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!