Rasch-Das Eibenstocker Stickereigewerbe 1910 - modetheorie.de

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modetheorie.de Rasch, Das Eibenstocker Stickereigewerbe unter der Einwirkung der Mode, 1910, 38 (169) 35 einen doppelten Kampf zu führen; zunächst einen technischen, dann einen wirtschaftlichen. Sie muß ihre Produkte so eigenartig gestalten, daß sie mit den Mitteln der Konkurrenztechnik, z. B. der Webestickerei, der Weberei usw., nicht nachgeahmt werden können; zum andern begegnet sie jenen Surrogat- und Imitationsindustrien mit ähnlichen Produkten auf den Absatzmärkten und hat mit ihnen Preiskämpfe zu bestehen. Zu Zeiten günstiger Moden entlasten zwar jene Gewerbezweige die Stickerei und verhelfen der Mode zu allgemeiner Geltung; durch diese Unterstützung erst vermag die Stickereiindustrie die überreichlichen Aufträge auszuführen. Aber infolge der technischen Überlegenheit, welche sich vor allem in billigen Preisen kundtut, ergibt sich eine schwere Gefahr für das Stickereigewerbe. Es verliert, wie wir im einzelnen sehen werden, die Stapelartikel, die einen konstanten Absatz haben, und wird auf die Herstellung der reinen Modeartikel gedrängt. So günstige technische Folgen dieser Prozeß für die Stickerei hat - die Industriellen sind gezwungen, Wert auf die Erzielung guter Muster zu legen, um den Markt immer von neuem zu behaupten -, so ungünstige wirtschaftliche zeitigt er: der Absatz wird unsicher und schwankend. d) Technische Angriffsbewegungen der Stickerei. Andererseits geht die Stickerei zum Angriff auf andere Industrien vor. Seit 1880 stellt man mit Hilfe der Hand- und Schiffelmaschinen gestickte Spitzen her, welche für die alten gewebten, genähten und geklöppelten Spitzen eine mächtige Konkurrenz geworden sind. Dieser Kampf beherrscht die gegenwärtige Situation der mechanischen Spitzenerzeugung (1). Ende der 1880er Jahre griff die Stickerei ins Gebiet der Posamentenarbeit ein und erzeugte Borten und Galons; von diesen sagt Wartmann (2): „Ihre sehr mannigfaltigen und glänzenden Erzeugnisse tragen den Charakter der Passementerie und würden von den Uneingeweihten wohl in den wenigsten Fällen für ein Fabrikat der Stickmaschine gehalten.“ Doch ist wohl der Schaden der Angriffe, welche die Stickereiindustrie zu erleiden hat, weit größer für sie, als der Nutzen, den sie aus dem Eingreifen in das Gebiet verwandter Gewerbezweige zieht. ____________________ (1) Dietrich, „Die Spitzenindustrie in Belgien und Frankreich zu Ende des 19. Jahrhunderts“. Leipzig 1900, S. 4/5. (2) A. a. O. 1881-1890, S. 125/6. Rasch, Das Eibenstocker Stickereigewerbe unter der Einwirkung der Mode, 1910, 38 (169) modetheorie.de
modetheorie.de Rasch, Das Eibenstocker Stickereigewerbe unter der Einwirkung der Mode, 1910, 39 (169) 36 III. Kapitel (1). Konjunkturverlauf und Produktionsrichtung 1860-1908. Allgemeines. Die besondere Eigenart einer Modeindustrie muß sich namentlich in ihrer Konjunktur zeigen. Die Mode mit ihren vorübergehenden Bedarfswellen ist ja zweifellos schon ein selbständiges Konjunkturmoment der regulären Bedarfsversorgung und vollends in der Konjunkturkonstellation einer Modeindustrie wird sie, so könnte es scheinen, als beeinflußender Umstand in einem alles andere überstrahlenden Lichte leuchten. Demgegenüber würde schon eine abstrakte Erörterung der Konjunkturphänomene zwei Sätze wahrscheinlich machen: die Wirkung der Mode als Konjunkturfaktor ist nicht so einfach und einheitlich, wie man vielfach glaubt; und die Konjunktur einer Modeindustrie ist niemals allein von der Mode abhängig, sondern das Gesamtergebnis einer sehr komplexen Vielheit von Ursachen. Auf jeden Fall sind diese beiden Sätze auch das Hauptergebnis der möglichst anschaulichen und konkreten Beobachtung der Konjunkturgestaltung in unserer Eibenstocker Industrie. Eben um diese anschauliche und konkrete Beobachtung der Konjunkturgestaltung einer genau umschriebenen und lokalisierten Modeindustrie während mehrerer Jahrzehnte ist es uns zu tun. Es handelt sich also darum, welche Eibenstocker Erzeugnisse jeweils Absatz gefunden haben, welche Artikel verlangt wurden, welche Techniken lohnend betrieben werden konnten. Es handelt sich darum, den idealen Generalwarenkatalog der Eibenstocker Industrie durch die Jahrzehnte zu verfolgen, auf die Gefahr, daß es nicht immer leicht ist, in die Masse der Sorten ____________________ (1) Bei der jetzigen Fassung dieses Kapitels bin ich Herrn Prof. Dr. Plenge in Leipzig für seine Anregungen aus seinem Seminar, sowie für sonstige Ratschläge sehr zu Dank verpflichtet. Rasch, Das Eibenstocker Stickereigewerbe unter der Einwirkung der Mode, 1910, 39 (169) modetheorie.de
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