Rasch-Das Eibenstocker Stickereigewerbe 1910 - modetheorie.de

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modetheorie.de Rasch, Das Eibenstocker Stickereigewerbe unter der Einwirkung der Mode, 1910, 80 (169) 77 Eine Abart der Goldarbeit war das Aufnähen von Kanetillen, d. s. kleinste Stückchen zerschnittener Goldfäden. Sie bildete den Übergang zur Wiederaufnahme der Perlbesatzstickerei; statt der kleinen Goldfäden wurden Metallperlen verwendet. Neben diesen glänzenden Materialien, die sich wohl infolge der aufdringlichen Wirkung nie sehr langer Beliebtheit erfreuen, erfolgte in Eibenstock eine recht mannigfaltige Ausmusterung des Faden- und des Perlmaterials, besonders bunter Mohairgarne, dann bunter Wachs-, Metall- und Glasperlen, weiterhin wurde auch Soutache-, d. s. dünne Schnüre, sowie Plüschstickerei ausgeführt (1). Die Russenschwärmerei in Frankreich (1892) brachte auch einen neuen Besatzartikel zur Welt: die bunte „Russenborte“, die sich aber nur eine Saison hielt (2). Also eine äußerst intensive Ausgestaltung des kleinen Produktionsprogrammes, die zugleich zu einer vollen Ausnutzung der Maschinen führte. Zunächst wurde die Handmaschine nur neben den Tamburapparaten verwendet; aber bald standen beide Systeme gleichberechtigt für die Besätzestickerei einander gegenüber. Die Handmaschine hatte eine einschneidende Änderung ihrer Produktionsrichtung erfahren; einmal ein Gebiet selbständiger Betätigung, nicht bloßer Veredelung gewonnen, dann eine Möglichkeit erlangt, neben der Schiffelmaschine weiterbestehen zu können. Außerdem war diese Periode ausschlaggebend für die Gestaltung der Eibenstocker Zukunft. Durch die bunte Ausführung war Annabergs Vermittlertätigkeit abgestoßen, und der weitere Aufbau auf dieser Bedarfsnuance konnte auch fernerhin die Selbständigkeit der kleinen Industrie garantieren. b. Der Niedergang (zweite Kleiderepisode). Die Blüte der Besätzestickerei dauerte nur vier Jahre; dann stellte sich die Rücklaufsbewegung ein, die sich sowohl auf die Perl-, als auf die gestickten Besätze erstreckte. Wie 1872 und 1883 lag der Grund auch jetzt in dem Sinken der Qualität; „es sei nicht zu verkennen, daß viel minderwertige Ware auf den Markt gebracht worden sei“ (3). Daneben spielte der Verlauf der Weltkonjunktur wie einst 1873 in den Eibenstocker Geschäftsgang hinein. Die nordamerikanische Krisis von 1893 ____________________ (1) H.-K.-B. Plauen 1888, S. 148. (2) A. a. O. 1892, S. 193. (3) A. a. O. 1893, S. 183. Rasch, Das Eibenstocker Stickereigewerbe unter der Einwirkung der Mode, 1910, 80 (169) modetheorie.de
modetheorie.de Rasch, Das Eibenstocker Stickereigewerbe unter der Einwirkung der Mode, 1910, 81 (169) 78 rief eine äußerst schwere Absatzstockung speziell für die Perlbesätze hervor (1), da die Vereinigten Staaten einer der Hauptabnehmer waren. Die Lage wurde weiterhin dadurch verschärft, daß die schwarzen Tüllperlsachen denselben Abwanderungsprozeß durchmachten wie die Wäscheerzeugung und die unterlegten Sachen; die Artikel wurden mehr und mehr in der Umgegend von Dagsburg im Elsaß, von Offenbach und von Luneville angefertigt, da sie hier durch die niederen Löhne wohlfeiler hergestellt werden konnten (2). Aber gegenüber den bisherigen Niedergängen zeigte die Perlmode einen wesentlichen Unterschied: ein mehrmaliges Wiederaufflackern, besonders 1895/96; jedoch die Abwärtsbewegung an sich wurde dadurch nicht beeinflußt (3). Das Wiederaufflackern der Perlnachfrage wurde immer kürzer; aber bis auf den heutigen Tag ist kein vollständiges Erlöschen erfolgt. Noch jetzt werden Perlarbeiten in Sosa, Hammerbrücke, Rautenkranz u. a. Orten angefertigt; jedoch kann nach 1895 nicht mehr von Perlmoden gesprochen werden. Vielmehr war die jährliche Nachfrage auf diejenigen Artikel hauptsächlich gerichtet, welche des glänzenden Talmieffektes nicht entraten können: auf Theater-, Ball-, Maskeradekostüme. Sicher sind die jetzigen verarbeiteten Perlmengen winzig im Vergleich zu den Jahren 1880-1884, 1888-1892. Der Nachhall der Perlnachfrage konnte keineswegs für die Beschäftigung der Hand- und Tamburmaschinen genügen. Das Suchen nach Ersatzbeschäftigung führte zur ursprünglichen Tren- ____________________ (1) Vgl. die Ausfuhrwerte der seit 1893 in Eibenstock bestehenden Konsularagentur der Vereinigten Staaten, soweit sie sich auf trimmings beziehen: Vierteljahr I. II III. IV. Summe 1893 471228 67774 28228 0 567230 M. 1894 49606 24491 43425 52355 169877 M. 1895 247820 39245 97648 144869 529582 M. (2) H.-K.-B. Plauen 1897, S. 231. (3) Das beweisen auch die Ausfuhrziffern der trimmings nach den Vereinigten Staaten, die seit 1896 beträchtlich sanken; umsomehr als in diesen Ziffern die Werte der buntseidenen Besätze enthalten sind, bei denen seit 1896 ein ununterbrochener Aufschwung einsetzte. 1893 M.567230 1894 M.169877 1895 M.529582 1896 M.607876 1897 M.571595 1898 M.477690 1899 M.4I4391 Rasch, Das Eibenstocker Stickereigewerbe unter der Einwirkung der Mode, 1910, 81 (169) modetheorie.de
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