Rasch-Das Eibenstocker Stickereigewerbe 1910 - modetheorie.de

modetheorie.de
Rasch, Das Eibenstocker Stickereigewerbe unter der Einwirkung der Mode, 1910, 59 (169)
56
ausgeschlossen. Das bedeutete aber nicht die Unterbindung des technischen Betriebes.
Die vorhandenen Maschinen wurden zur Korsettfabrikation benutzt (1).
Die Weißwarenerzeugung erfuhr durch die Verengerung der Röcke eine Einschränkung
der Erzeugung; jedoch war die Verringerung des Bedarfes für die Eibenstocker
Industrie nicht nur durch den Modewechsel begründet, sondern die
Berliner Konkurrenz hatte bereits einen großen Teil der Weißwarenherstellung an
sich gerissen. Weiterhin wurde die Schuld der „Minderwertigkeit der hauptsächlichen
Konfektionsartikel“ zugeschrieben, die „nach der ersten Wäsche alles Ansehen
verloren“ (2). Die Weißwarenfabrikation erlebte keinen Aufschwung wieder;
der hindernde Grund war die sogenannte Berliner Neuwäscherei, die mit ihren
Plätt- und Bügelapparaten eine neue Technik bedeutete; ihre Einführung im Ober-
Erzgebirge scheiterte nicht nur an der Übermacht der hauptstädtischen Industrie,
sondern auch am Fehlen der Arbeitskräfte.
Weit komplizierter waren die Vorgänge auf dem Gebiete der handmaschinengestickten
weißen Streifen und Einsätze. Die Maschinen waren zum größten Teile in
Fabriken, nicht im Verlag aufgestellt, und die Fabrikanten mußten die Produktion
so lange fortsetzen, als sich eine auch nur niedrige Verzinsung des Kapitals ergab
und sie die Fühlung mit dem Stickereimarkt nicht verlieren wollten. Aber auch die
hausindustriellen Einzelsticker mußten infolge der Teuerkeit der Maschinen auf
Hilfe gegen die Arbeitslosigkeit sinnen. Die vielfache Verwendungsmöglichkeit
der Handmaschine drängte daher zur Ausnutzung; die Möglichkeit dazu war aber
erst in den Anfängen vorhanden, und die technischen Fortschritte wurden erst
allmählich gemacht, boten also nicht sofortige Rettung. Eine Fortsetzung der alten
Produktion aber war dadurch schwierig gemacht, daß die Schweizer Industrie mit
ihren besseren Produkten den verengerten Markt beherrschte.
Der Vorgang der Absatzstockung ist typisch, und er ist auch in der Perlzeit nachzuweisen:
zur Zeit der Hochkonjunktur waren die minderwertigen Erzeugnisse
anstandslos in Kauf genommen worden; als der Bedarf infolge des Verschwindens
der weißen Röcke sich bedeutend abschwächte, wurden trotzdem Stickereien nach
wie vor weiterproduziert. Dadurch trat eine
____________________
(1) H.-K.-B. Plauen 1872/4, S. 306.
(2) A. a. O. 1872/4, S. 287.
Rasch, Das Eibenstocker Stickereigewerbe unter der Einwirkung der Mode, 1910, 59 (169)
modetheorie.de