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Neuzeit, etwa in der frühen Neuzeit, hinzugekommen sind.<br />
Hier sieht man, wie langfristig Gedanken wirken können,<br />
was für eine Langzeitwirkung man unter Umständen in<br />
den Blick nehmen muß, um ihre Wirksamkeit angemessen<br />
beurteilen zu können. Schließlich erkennt man auch, daß<br />
solche Gedanken sich von ihren eigentlichen Schöpfern und<br />
Autoren völlig lösen können und dennoch Fernwirkungen<br />
haben, die dem allfälligen und so modischen abwertenden<br />
Urteilen über die Weltfremdheit der Philosophen im<br />
Grunde entgegenstehen, ja, diese Urteile leicht widerlegen<br />
können. Das langfristige, das über den unmittelbaren<br />
Zeitzusammenhang des Jetzt und Heute hinausgehende<br />
Denken ist also im Grunde die wesentliche Aufgabe der<br />
Philosophie. Philosophie ist Langzeitdenken. Philosophie,<br />
könnte man also sagen, ist keineswegs, wie Strindberg sagt,<br />
nur die »Geschichte der Unwahrheit«, sondern Philosophie<br />
weist in diesem Sinne eine lange Tradition der Einwirkung<br />
auf die Gesellschaft und auf das Zusammenleben in ihr sowie<br />
auf das Selbstverständnis auf. Diese Tradition kann in ihrer<br />
Bedeutung kaum überschätzt werden. Das gilt besonders zum<br />
Beispiel auch in manchen Bereichen, die heutzutage oder<br />
bis vor kurzem ganz besonders brisant gewesen sind: Man<br />
denke etwa an das Leib-Seele-Problem mit seinem Bezug<br />
auf die Frage des Sexuellen. Hier hatten sich ungemeine<br />
Schwierigkeiten in der Kulturgeschichte des Abendlandes<br />
aufgestaut. Sie stammen letztlich aus dem Dualismus der<br />
Gnostik und Platons, der einen totalen Gegensatz zwischen<br />
dem Körperlichen, Vergänglichen, dem Abzuwertenden<br />
auf dieser Welt und der ewigen, unsterblichen, um<br />
vieles wertvolleren Seele sah und keinerlei unmittelbare<br />
Möglichkeit einer Überbrückung zwischen beiden Bereichen<br />
anerkannte. Diese Zwei-Welten-Lehre, dieser Dualismus<br />
hat unglaublich in der abendländischen Geschichte<br />
weitergewirkt, wurde im Christentum aufgenommen, zum<br />
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