13.02.2013 Aufrufe

Untitled

Untitled

Untitled

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

im Augenblick aus diesem Leben scheiden.« Diese stoische<br />

Verschärfung des Lebens sub specie aeternitatis läßt sich<br />

nicht verschärfen – sie gerät geradezu zum Paradox.<br />

Seneca erwähnt einen römischen Statthalter in Syrien,<br />

der sich jeden Abend symbolisch zu Grabe tragen ließ,<br />

und empfi ehlt, als Nachtspruch heiteren Gemüts Vergil<br />

zu deklamieren: »Ich hab gelebt und den Lauf, den das<br />

Schicksal gegeben, vollendet.«<br />

Ibn Roschd, bei uns eher als Averroes bekannt, einer der<br />

größten »workaholics« und Philosophen des Mittelalters (er<br />

nahm nur drei Tage seines Erwachsenenlebens arbeitsfrei:<br />

am Todestag seines Vaters, am Hochzeitstag und am eigenen<br />

Todestag), wurde zur Bestattung in seine Geburtsstadt<br />

Córdoba überführt. Zu der sehr feierlichen Beerdigung war,<br />

wie der große Mystiker Ibn Arabi von Murcia berichtete, ein<br />

Maultier auf der einen Seite mit dem Leichnam beladen:<br />

Dieser wurde auf der anderen Flanke durch seine Bücher<br />

aufgewogen. Immerhin: Averroes soll 127 Werke, sicher<br />

aber 84 verfaßt haben. Nun waren Bücher damals schwerer,<br />

handkopierte Folianten. (Mit leichtem Taschenbuchgepäck<br />

von heute ließe sich ein Autor schwerlich aufwiegen.) Doch<br />

welch ein symbolträchtiges Abtreten! (Ich wüßte gern, ob<br />

die Bände mit Ibn Roschd begraben wurden …)<br />

In Hamburg wurde – wie ein repräsentatives Lokalblatt<br />

ankündigte – Hölderlins »Der Tod des M. P. Dokles« in neuartiger<br />

Inszenierung aufgeführt. Es muß eine sehr neuartige<br />

Inszenierung gewesen sein. In der Berichtigung hieß es<br />

dann: »Tod dem Empedokles«. Da liest man doch lieber die<br />

eher traditionelle Abwandlung der Legende vom Ende des<br />

Empedokles, der sich in den Ätnakrater gestürzt haben soll,<br />

in Bert Brechts Gedicht »Der Schuh des Empedokles«.<br />

Auch nach Empedokles war der bewußt gesuchte<br />

eigene Tod, der Freitod – üblicherweise despektierlich<br />

»Selbstmord« genannt –, immer ein Hauptpunkt philoso-<br />

73

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!