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Anwendung des Wortes. Der Scheinphilosoph des Boethius<br />
verrät den Mangel an wahrer Philosophie durch die Tatsache,<br />
daß er sein Philosophentum hervorhebt. Wir dagegen gebrauchen<br />
das Wort, wenn jemand die gute Meinung, die wir von seiner<br />
wissenschaftlichen Fähigkeit haben, durch eine Äußerung, die<br />
ihn bloßstellt, zerstört. Wenn im Eingang der unter dem Namen<br />
Gregors des Wundertäters (um 210-270 n. Chr.) überlieferten<br />
Homilie (Migne, Patr. graec. X, S. 197) von einem Philosophen die<br />
Rede ist, der durch Schweigen seine Unkenntnis verbirgt, so trifft<br />
das eher den Sinn, den wir heute mit dem obigen Wort verbinden.<br />
Auch der heilige Bernhard († 1153) spielt vielleicht darauf an,<br />
wenn er in der Praefatio in librum de diligendo Deo sagt: »ne<br />
tacendo philosophus puter« (»Damit ich nicht wegen meines<br />
Schweigens für einen Philosophen gehalten werde«). Für heute<br />
freilich fordert ein George Mikes die moderne Variante, passend<br />
für das »Zeitalter überall grassierender progressiver Publizititis«<br />
(ego etiam semper pecco): »Es ist an der Zeit, Denkmäler für<br />
Leute zu errichten, die noch kein Buch geschrieben haben.« Aber<br />
für moderne Philosophen, die keine mehr zu schreiben erfolgreich<br />
sich entschließen, gibt es ein solches Monument wohl bisher<br />
nicht (vielleicht ist die Forderung eine contradictio in libello?)<br />
– außer dem literarischen Denkmal, das etwa Hans Richtscheid<br />
seinem »Sokrates«, einem pensionierten Gymnasialprofessor<br />
aus Mainz, oder das Luciano De Creszenzo seinen Neapolitaner<br />
Lebensphilosophen Peppino Russo, Tonino Capone und Gennaro<br />
Bellavista in seiner entzückenden Geschichte der griechischen<br />
Philosophie (Bd. I) setzte. Man lese auch Creszenzos Also sprach<br />
Bellavista und Oi Dialogoi.<br />
19 Hunt meinte in der schon erwähnten Oxforder Zeitschrift Why?<br />
(Jg. 2 (1959), No. l.) ebenso treffend, doch positiver: »Philo sophical<br />
problems have the form: ›What can I say next?‹« Britisches<br />
Problembewußtsein angesichts der philosophischen Grundfrage<br />
zeigt auch folgende Geschichte: »Ein Mann läuft unentwegt im<br />
Kreis durch sein Zimmer, rauft sich die Haare und murmelt vor<br />
sich hin: ›Where is the answer, where is the answer?‹ Ein anderer<br />
beobachtet ihn eine ganze Weile und wendet dann spöttisch ein:<br />
›Where is the question?‹« Die Frage nach der Frage: To ask<br />
or not to ask – is that the question – die Hamletfrage nach der<br />
sprachanalytischen Wende?<br />
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