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Das deutsche Tiefsinnsargument<br />
Auch mit ihrer Sprache – zwischen Kalkül und Dunkelheit<br />
– isolierte die Philosophie sich unnötig selbst, zum Teil<br />
gewollt. Um eine Anekdote einzufügen: Ich hatte einmal<br />
Gelegenheit, eine Vorlesung Adornos im Auditorium<br />
Maximum der Freien Universität Berlin zu hören. Nachdem<br />
ich von dem sehr komplizierten Referat, das wortgetreu<br />
verlesen wurde, kaum etwas verstanden hatte, fragte ich<br />
einen neben mir sitzenden Studenten, was er von dem<br />
Vortrag hielte. Er sagte: »Ausgezeichnet, ganz hervorragend<br />
– so hervorragend, daß nicht einmal ich alles verstanden<br />
habe.« Seitdem nenne ich diese, meist implizit verwendete,<br />
Folgerungsfi gur, die dieser Student dankenswert deutlich<br />
ausgedrückt hatte, ›das deutsche Tiefsinnsargument‹.<br />
Walter Benjamin soll einmal, berichtet Henscheid, einen<br />
Satz gebildet haben, »den selbst Adorno nicht verstehen<br />
sollte: ›In dieser reinen Sprache, die nichts mehr meint<br />
und nichts mehr ausdrückt, sondern als ausdrucksloses und<br />
schöpferisches Wort das in allen Sprachen Gemeinte ist,<br />
trifft endlich alle Mitteilung, aller Sinn und alle Intention<br />
auf eine Schicht, in der sie zu erlöschen bestimmt sind.‹<br />
Adorno soll erwidert haben: ›Unversöhnlichem Denken ist<br />
die Hoffnung auf Versöhnung gesellt, weil der Widerstand<br />
des Denkens gegen das bloß Seiende, die gebieterische<br />
Freiheit des Subjekts, auch das am Objekt intendiert, was<br />
durch dessen Zurüstung zum Objekt diesem verloren ging.‹«<br />
Sinn verloren? Jedenfalls tiefscheinend formuliert.<br />
Adorno schätzte ausdrücklich den »Dunklen«, Skoteinos<br />
– Hegel. Nicht die Eule der Minerva, die jenem Denker<br />
zufolge bekanntlich erst bei Anbruch der Dämmerung 29<br />
ihren Flug beginnt, nicht der gemächlich-majestätisch<br />
wandelnde Kaiserpinguin, sondern der Guanovogel ist für<br />
J. V. v. Scheffel offenbar das Wappentier der Philosophen:<br />
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