Untitled
Untitled
Untitled
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
komplizierter, verdrehter Sprache. Herr N. N. defi nierte:<br />
Philo sophie – »der vergebliche Versuch, mittels geschraubter<br />
Sätze den Nagel auf den Kopf zu treffen« und so einen Pudding<br />
an die Wand zu nageln. Also keineswegs dasjenige, was<br />
nur das Unmögliche erstrebt, sondern – nach Braston: »Philosophie<br />
ist gesunder Menschenverstand im Frack«, also nur<br />
ein etwas vornehm präsentierter Gemeingeist? »Philo sophie<br />
ist der gesunde Menschenverstand des nächsten Jahrhunderts«,<br />
glaubt der amerikanische Geistliche Beecher. Philoso<br />
phie, so könnte man fortsetzen, ist in gewissem Sinne der<br />
(un)gesunde Menschenverstand im Smoking oder Cutaway<br />
oder im Raumanzug der Zukunft, je nachdem, was man<br />
iro ni sieren will. Also hat die Philosophie auch etwas von<br />
Un lös barkeit, von Paradoxem, von Ausweglosigkeiten an<br />
sich. Sie scheint im Dilemma ewiger Schwierigkeiten, die<br />
man dennoch immer wieder zu lösen versucht. Philosophie<br />
kämpft ständig mit dem Unmöglichen, dem Unsagbaren,<br />
dem Unfaßbaren: Der Philosoph – der Heros unbeirrbarer<br />
Hoff nung, Sisy phos des Geistes, angesichts intellektueller<br />
Hoff nungslosigkeiten – steht unter der Selbstverpfl ichtung,<br />
sich stets wieder zu seinem letztlich unmöglichen Geschäft zu<br />
motivieren, aus der Not ewiger Ergebnislosigkeit doch noch<br />
die Tugend eines Ergebnisses, und sei es in Gestalt des ewigen<br />
Fragens und Strebens, zu machen. (Immerhin glaub te<br />
Camus, man müsse sich Sisyphos als einen glück lichen Men -<br />
schen vorstellen.) Lessings Wort von der Erset zung der<br />
Wahrheitserkenntnis durch das unablässige, jedoch ergebnislose<br />
Wahrheitsstreben kommt mir dabei in den Sinn: »Wenn<br />
Gott in seiner Rechten alle Wahrheit und in seiner Linken den<br />
einzi gen immer regen Trieb nach Wahrheit, ob schon mit dem<br />
Zusatze, mich immer und ewig zu irren, ver schlossen hiel -<br />
te, und spräche zu mir: Wähle! Ich fi ele ihm mit Demut in sei ne<br />
Linke und sagte: ›Vater, gib! die reine Wahrheit ist ja doch<br />
nur für dich allein!‹«<br />
44