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16 Kurz vor seinem Tode schrieb Benn, nicht wie Karl Kraus: »Im<br />
Anfang war das Rezensionsexemplar«, sondern: »Im Anfang<br />
war das Wort und nicht das Geschwätz, und am Ende wird<br />
nicht die Propaganda sein, sondern wieder das Wort« – das<br />
Wort, das Gottfried Benn andernorts den »Phallus des Geistes«<br />
genannt hatte. (War auch Benn ein Vertreter des neuerdings viel<br />
verhöhnten »Phallogozentrismus« (J. Drews)?) Eines seiner<br />
schönsten Gedichte beginnt: »Ein Wort, ein Satz –: aus Chiffren<br />
steigen / erkanntes Leben, jäher Sinn …«<br />
Cioran formuliert noch sarkastisch-pessimistischer: »Das Sein<br />
ist stumm, und der Geist ist ein Schwätzer. Dies nennt sich<br />
Erkenntnis.«<br />
17 Allgemeiner ist »der objektive Grund des Wunsches nach<br />
Objektivität« bei Wissenschaftlern Paul Feyerabend zufolge<br />
das Streben, »daß man sich andere Menschen vom Leibe halten<br />
will«!<br />
18 Hat Wittgenstein – wie schon Sokrates – sich nicht an das<br />
alt bewährte Gesetz der professioneilen Profi lierung profi l -<br />
neurotischer – und wer ist das wirklich nicht – Philosophie-<br />
Befl issener gehalten: »Si aliquid scripsisses, philosophus man -<br />
sisses«? (nach Simon-Schaefer und Birnbacher) – nach dem<br />
modernen Motto »Ich schreibe, also bin ich. Ich werde gelesen,<br />
also bin ich nicht allein« (Marti). Immerhin folgten beide –<br />
Sokrates und Wittgenstein, versteht sich – ebenfalls nicht der noch<br />
älteren doppeldeutigen Weisheit nach Boethius: »Si tacuisses,<br />
philosophus mansisses!« Büchmann zitiert aus dessen »Trost der<br />
Philosophie« (11,7): »Als jemand einen Mann, der den falschen<br />
Namen eines Philosophen nicht zur Übung wahrer Tugend,<br />
sondern aus hochmütiger Eitelkeit führte, mit Schmähungen<br />
angegriffen und hinzugefügt hatte, er werde bald wissen, ob jener<br />
ein Philosoph sei (wenn er nämlich die zugefügten Beleidigungen<br />
sanft und geduldig hinnähme), da trug der Angegriffene einige<br />
Zeit lang Geduld zur Schau. Dann aber fragte er, gleichsam über<br />
die erlittene Schmähung höhnend: ›Merkst du nun endlich, daß<br />
ich ein Philosoph bin?‹ Darauf sagte der erste recht beißend: ›Ich<br />
hätt’s gemerkt, wenn du geschwiegen hättest‹ (›Intellexeram,<br />
si tacuisses‹).« Mit anderen Worten: »Du wärst ein Philosoph<br />
geblieben, wenn du geschwiegen hättest.«<br />
Die Situation, wie sie hier vorliegt, entspricht nicht unserer<br />
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