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Errare necesse est<br />
Überhaupt die Irrtümer! Hatte nicht Novalis erkannt: »Irrtum<br />
ist das notwendige Instrument der Wahrheit.« Nietzsche<br />
umge kehrt: »Wahrheit,…die Art von Irrtum, ohne wel che eine<br />
bestimmte Art von lebendigen Wesen nicht leben könnte.«<br />
Ist Wahrheit »nur der zweckmäßigste Irrtum«, wie der<br />
Kan ti aner Vaihinger meinte, oder »nur eine gutmaskierte<br />
Unwahrheit« (so der Dichter Farquhar)? Oder »eine<br />
gedachte Linie, die den Irrtum in zwei Teile teilt«, wie der<br />
amerikanische Essayist Hubbard nicht ohne Hintersinn<br />
formulierte? Lichtenberg bestimmte gar die Philosophie als<br />
die Kunst, »neue Irrtümer zu fi nden« – auch zu erfi nden(?).<br />
Wir sind »necessitiert zum Irrtum«. Nietzsche hält die<br />
Sprache für dessen »Anwalt« und spricht von in der<br />
Sprache »versteinerten Grundirrtümern der Vernunft«. Er<br />
nennt z. B. den »Irrtum vom ›Sein‹«, ja: »Das Individuum<br />
selbst ist ein Irrtum!« (Der Postmodernist avant la lettre!)<br />
Die Gelehrten kennzeichnet nach Anatole France »die<br />
erworbene Fähigkeit …, sich an weitschweifi gen und komplizierten<br />
Irrtümern zu ergötzen«. »Sieht man genau hin, ist eine<br />
Theorie nichts als ein defi nierter und beschworener Irrtum«,<br />
meint Alain, der französische weltkluge Feuilletonphilosoph.<br />
»Wer endlich vermag zu ermessen«, rief Augustinus<br />
aus, »welchen Geistreichtum Philosophen und Häretiker<br />
aufge wandt haben bei der Verteidigung ihrer Irrtümer und<br />
Verkehrtheiten!« Ist der Irrtum nicht »die tiefste Form der<br />
Erfahrung« (M. Kessel), geradezu »die Vergangenheitsform<br />
der Weisheit – unzeitgemäße Wahrheit«? Wie Lohberger sagt,<br />
jedenfalls: »Irren ist menschlich, macht menschlich.« Und:<br />
Irren ist produktiv! »Ich habe viel Mühe«, sagte Herr<br />
Keuner (bei Brecht), »ich bereite meinen nächsten Irrtum<br />
vor.« Youngs murphologisches Gesetz lautet: »Alle großen<br />
Entdeckungen wurden durch Irrtümer gemacht.« Der<br />
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