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den Studenten mit der sprichwörtlichen Antwort: »Coito,<br />
ergo sum«, aus der Philosophikumsprüfung weisen mußte.<br />
(Ist das nun Intensivum, Frequentivum oder der Imperativ<br />
II? Die lateinische Grammatik läßt das anspielungsreich<br />
offen.) Dieser Satz gab zwar gerade nicht Descartes wieder,<br />
aber so ganz unrecht hatte der Student vielleicht doch nicht.<br />
»Libido qua necesse est fl uat« (Seneca). Ob das wohl heute<br />
noch stimmt? Diogenes von Sin ope, der Kyniker, pfl egte<br />
demonstrativ-provokativ »alles in voller Öffentlichkeit<br />
zu tun, sowohl was die Demeter betrifft, wie auch die<br />
Aphrodite«. Als er einst auf dem Markte Onanie trieb, sagte<br />
er (nach Diogenes Laertius): »Könnte man den Bauch auch<br />
ebenso reiben, um den Hun ger loszuwerden.« Provokative<br />
Freiheit des Hunger leiders: zynisches »Epater le bourgeois«<br />
– das gab’s schon im alten Athen. Lichtenbergs Rat:<br />
»Jedermann sollte wenig stens soviel Philosophie und schöne<br />
Wissenschaften stu dieren, als nötig ist, um sich die Wollust<br />
angenehmer zu machen.« Übrigens: Max Ernst, der Künstler,<br />
antwortete auf die selbstgestellte Frage »Was halten Sie von<br />
Kant?«: »Die Nackt heit der Frau ist weiser als die Lehre des<br />
Philosophen.« (Weisheit also in der Nacktheit, die nackte<br />
Wahrheit? Oder eher Schönheit? Kann man aber – als Mann<br />
– hier Kants Bedin gung des interesselosen Wohlgefallens<br />
als Kriterium der Schönheitsbeurteilung überhaupt erfüllen?<br />
Doch denkt man selbst, nach Kant, »wenn z. B. gesagt wird:<br />
das ist ein schönes Weib, in der Tat nichts anders als: die Natur<br />
stellt in ihrer Gestalt die Zwecke im weiblichen Baue schön<br />
vor«: ohne bestimmten Zweck freilich – rein interesselos<br />
– unpersönlich? Und nur so wäre, leider, folgte man<br />
unserem erotisch wohl nicht sehr erfahrenen philosophischen<br />
Altmeister, ein wirkliches Geschmacksurteil möglich. O. H.<br />
Kühner beschrieb das Verhältnis eines Wissenschaftlers oder<br />
Philosophen zur nackten Wahrheit in seinem wahrscheinlich<br />
wahrheitsträchtigen Gedicht:<br />
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