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zu erfrischen, andere Muskeln anzuspannen. Lockerungsübungen<br />
des Körpers und des Geistes …«<br />
13 Herr Keuner, der nicht ganz unphilosophische Gewährsmann<br />
Brechts, sieht das anders: »Als die Sophisten vieles zu wissen<br />
behaupteten, ohne etwas studiert zu haben«, sagte er, »trat der<br />
Sophist Sokrates hervor mit der arroganten Behauptung, er<br />
wisse, daß er nichts wisse. Man hätte erwartet, daß er seinem<br />
Satz anfügen würde: denn auch ich habe nichts studiert. (Um<br />
etwas zu wissen, müssen wir studieren.) Aber er scheint nicht<br />
weitergesprochen zu haben, und vielleicht hätte auch der<br />
unermeßliche Beifall, der nach seinem ersten Satz losbrach und<br />
der zweitausend Jahre dauerte, jeden weiteren Satz verschluckt.«<br />
14 Lyotard betont in »Das postmodernde Wissen«, der Philosoph<br />
sei kein Experte: »Dieser weiß, was er weiß, und er weiß, was er<br />
nicht weiß; jener weiß es nicht. Der eine folgert, der andere fragt,<br />
das sind zweierlei Sprachspiele.« (Das erste ist allerdings gar<br />
nicht ausgesprochen postmodern oder nur modern.) So trifft also<br />
die bekannte Defi nition des philosophischen Universalisten, des<br />
Spezialisten für das Allgemeine, glücklicherweise nicht mehr zu:<br />
Der Fachexperte ist jemand, der immer mehr über immer weniger<br />
– also am Ende alles über nichts weiß, während der Universalist<br />
immer weniger über immer mehr, somit letztlich nichts über alles<br />
weiß. Und wie steht es mit dem heute so gern herangezogenen<br />
Generalisten? Ist er eine Kreuzung, Bastard- oder Hybridbildung<br />
beider? Etwa einer, der immer mehr über immer mehr wissen<br />
sollte? Das ist heute in Personalunion kaum noch möglich.<br />
Ein Grund, weswegen Expertensysteme dringlich gefragt sind:<br />
Sie sollten alles über ein Gebiet, im Verbund also alles über alles<br />
speichern. Sind sie in Zukunft die eigentlichen »polytechniciens«,<br />
die der französische Volksmund bestimmte als Wissende, »die<br />
alles wissen – und sonst nichts«? Solange Philosophen noch eine<br />
Chance haben, sind wir noch nicht soweit – dem Großen Denken<br />
des Denkens (nach Aristoteles: Gott) sei Dank.<br />
15 Wittgenstein, der sprachanalytische Philosoph, würde Woody<br />
Allen und Herrn Keuner hier seine Einsicht entgegenhalten:<br />
»Es ist richtig zu sagen: ›Ich weiß, was du denkst‹, und falsch:<br />
›Ich weiß, was ich denke.‹ (Eine ganze Wolke von Philosophie<br />
kondensiert zu einem Tröpfchen Sprachlehre.)« Der Verdacht<br />
richtet sich gegen die Philosophie (der Tätigkeitsworte und<br />
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