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und besonders Hegels Höllenstrafe: »Hegel sitzt auf einem Stuhl,<br />
umgeben von allen Hegelianern, und diese Hegelianer verstehen<br />
ihn unablässig. Um das als Strafe begreifen zu können, muß man<br />
das philosophische Verstehen kennen. Während im normalen<br />
Leben Menschen, die einander verstehen, nicht viele Worte<br />
machen müssen – häufi g genügt ein einziges: ›Klopstock‹ – oder<br />
sogar ohne Worte auskommen, vollzieht sich philosophisches<br />
Verstehen nur in der Sprache und ist abhängig von der Menge<br />
der dabei verwendeten Wörter. Ein Philosoph, der versteht, hört<br />
nicht, sondern redet. Im Reden wiederholt er den Gedanken<br />
seines Gesprächspartners, legt ihn aus, kritisiert ihn natürlich.<br />
[…] Philosophisches Verstehen ist geräuschvoll. Es herrscht<br />
also ein Höllenlärm, wenn Hegel von allen seinen Anhängern<br />
gleichzeitig verstanden wird und die einzelnen Schulhäupter,<br />
die Vorsitzenden der verschiedenen Hegel-Gesellschaften, ihn<br />
und sich untereinander hermeneutisch angiften. Hegel ist diesem<br />
Interpretationsinferno wehrlos ausgeliefert, denn seine Hände<br />
sind gefesselt, so daß er sich nicht die Ohren zuhalten kann (also<br />
das negative Gegenbild zu Odysseus’ Erlebnis bei den Sirenen, H.<br />
L.). Und so ist er also gezwungen, sich von links, von rechts, von<br />
vorne und von hinten, also unter sämtlichen Aspekten auslegen<br />
zu lassen. Ab und zu darf er allerdings – als Strafmilderung<br />
– sich anhören, was Antihegelianer über ihn verbreiten. Da deren<br />
Mißverständnis viel simpler ist als dasjenige der Hegelianer, kann<br />
er sich dabei ein wenig erholen.«<br />
Ein Sisyphos der Verstehensversicherungen. Der arme Hegel!<br />
Das hat er nicht verdient. Dante hätte die künftigen Infernos in<br />
fairerer Form voraussehen können. Die Hölle für den Philosophen<br />
sind (ganz im Sinne Sartres) die anderen – Philosophen. Wo<br />
bleibt da aller posthume gerechte Ausgleich von Glückseligkeit<br />
und Glückwürdigkeit, den Kant bekanntlich als das höchste<br />
Gut ansah? Warum soll der sich zeit seines Lebens redlich um<br />
die Analyse der Sittlichkeit bemühende Philosoph unter die<br />
hermeneutischen Haie geraten – und gar Hegel vor die Rachen<br />
der Hegelianer? Die Rache ist höllisch ungerecht.<br />
31 Rehder kritisiert mit einigem Recht Schopenhauers arrogante<br />
Polemik. Was unter Philosophen üblich war, entsprach nicht<br />
immer dem feinen Stil der Grandseigneurs des Geistes: »Man<br />
denke nur, um bei den Philosophen zu bleiben, an die Höhe<br />
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