No 96 - IUMSP
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Die Präventionsangebote werden von lateinamerikanischen und deutschsprechenden Frauen<br />
offener angenommen als von asiatischen und aus dem europäischen Ostblock stammenden<br />
Frauen. Nicht selten verweisen Frauen aus dem Sexgewerbe neue Kolleginnen an die Mediatorinnen<br />
der beiden Dienste a . Gelegenheiten zum Gespräch und Informationen werden sehr<br />
geschätzt und dankbar angenommen, was beim tiefen Informationsstand vieler Sexworkerinnen<br />
nicht erstaunt b . Abgegebenes Material wird gerne angenommen. APiS betont die Wichtigkeit<br />
der Informations- und Materialabgabe, sie erleichtere die Kontaktaufnahme und eröffne das<br />
Gespräch zu HIV-Prävention. Besonders die Benützung und die Qualität der Kondome sei ein<br />
immer wieder angesprochenes Thema. Maria Magdalena dagegen verteilt bewusst kein Informationsmaterial,<br />
da dieses ohne begleitendes Gespräch oft auch Angst auslöse und so die Frauen<br />
abschrecke. Maria Magdalena offeriert mit ihrem eigens konzipierten Beratungskoffer praktische<br />
Demonstrationen zum Kondomgebrauch und anderen Fragen der Prävention.<br />
Neben der aufsuchenden Arbeit sind Beratungsgespräche auch in den Lokalitäten der beiden<br />
Institutionen möglich (bei der AHSGA jedoch nur in Ausnahmefällen); dieses Angebot ist aber<br />
für viele Frauen hochschwellig und ein Besuch ergibt sich in den allermeisten Fällen erst nach<br />
direkter Kontaktnahme vor Ort. So hat z.B. Maria Magdalena in den ersten 15 Monaten<br />
Betriebszeit 86 Beratungen auf der Stelle durchgeführt (im Gegensatz dazu : 526 vor Ort, 313<br />
am Telefon). Die Mediatorinnen des APiS-Projekts sind so ‘gefragt’, dass sie ihre<br />
Telefonnummern nun nicht mehr abgeben können. Da sie auch nur für die spezifisch HIVpräventiven<br />
APiS-Einsätze geschult sind, würden ihnen für andere Beratungssituationen auch<br />
die Kompetenzen fehlen. Ihr kleines Arbeitspensum verhindert so eine vertiefte oder<br />
längerfristige Arbeit mit den angesprochenen Frauen. Einige Frauen können für komplexere<br />
Situationen an Maria Magdalena überwiesen werden, welche die spanisch sprechenden Migrant-<br />
Sexarbeiterinnen in ihrer eigenen Sprache beraten kann.<br />
Vulnerabilität — Als besonders vulnerabel werden Frauen, die im sogenannt höheren Segment<br />
6.2.2 des Sexgewerbes tätig sind (z.B. Escortservice), beschrieben. Es handelt sich oft um<br />
Anfängerinnen im Gewerbe, einige arbeiten wider ihren Willen, viele sind erpressbar, alle<br />
stehen unter grossem Druck, oft von Organisatoren/Schleppern/‘Beschützern’. Erwähnt wird,<br />
dass sie Sanktionen der Organisatoren zu gewärtigen hätten, wenn sie das Beratungsangebot<br />
beanspruchen würden. Viele halten sich zudem illegal in der Schweiz auf und verstehen die<br />
Sprache nicht. Ihres illegalen Status wegen leben sie ‘versteckt’ und sind für die Präventionsangebote<br />
kaum erreichbar. Unerreichbar und vulnerabel sind auch die Frauen, die Gelegenheitsprostitution<br />
betreiben, sich via Internet oder SMS anbieten oder in Discos als private<br />
Akteurinnen auftreten. Diese oft sehr jungen nicht-professionnellen Frauen prostituieren sich<br />
auch für kleine Gefallen wie etwa einen Drink, ein Nachtessen, eine Taxifahrt.<br />
Andere vulnerable Frauen (junge und im Sexgewerbe unerfahrene, drogenabhängige oder alkoholisierte<br />
Frauen) können der anhaltend grossen Nachfrage nach Sex ohne Präservativ keinen<br />
Widerstand leisten. Obwohl Gesetze zu Alkoholkonsum und Animation zum Konsum vorliegen,<br />
werden diese zum grossen Schaden der Frauen nicht umgesetzt. Aus diesem Blickwinkel ist<br />
a<br />
b<br />
“Viele Frauen, die von uns beraten wurden, empfahlen unsere Beratung an Kolleginnen weiter ; zum Teil<br />
begleiteten sie sie bei der ersten Kontaktaufnahme mit uns” 82 .<br />
“Der Bereich Gesundheit bildet ein Kerngeschäft vonaria Magdalena. (...) Der Bereich HIV/Aids, STDs und<br />
Hepatitis nimmt dabei einen hohen Stellenwert ein. Der Wissensstand der Frauen ist sehr unterschiedlich.<br />
Viele Frauen schützen sich präventiv und benutzen Kondome, sind sich aber der Kondome wenig bewusst.<br />
Die meisten Frauen wissen wenig über die Ansteckungsgefahr von Hepatitis und STDs. (...) <strong>No</strong>ch überraschter<br />
sind wir über die Nachfrage zu den verschiedensten Utensilien der Verhütung...” 82 .<br />
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