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No 96 - IUMSP

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die kontinuierliche und dauerhafte Arbeit der Fachfrauen wichtig, denn Befähigungsarbeit und<br />

Empowerment können nur auf einer längerfristigen Vertrauensbasis geleistet werden.<br />

Die Gruppe der drogenabhängigen Frauen in der Beschaffungsprostitution wird von allen<br />

befragten Fachleuten als besondere Herausforderung beschrieben. In Saint-Gallen wird diese<br />

Gruppe nach formeller Absprache unter allen Beteiligten vom Verein Suchthilfe betreut, allerdings<br />

wird die Gruppe von diesem Verein nicht als solche definiert, sondern kommt im Zuge<br />

der allgemeinen Suchthilfe in den Genuss des Angebots für Personen mit Drogenproblemen.<br />

Bei prostitutionsspezifischen Anliegen könnte Maria Magdalena fachliche Unterstützung leisten,<br />

was in der Praxis jedoch selten der Fall ist. a Frauen, die der Drogenbeschaffungsprostitution<br />

nachgehen, verstehen sich nicht als Sexarbeiterinnen und wenden sich eher selten an prostitutionsspezifische<br />

Fachstellen wie Maria Magdalena. Die Fachstelle ihrerseits verzichtet darauf, ihre<br />

aufsuchende Arbeit auf die Gasse auszuweiten.<br />

Bedürfnisse — Der oft ungenügende Wissensstand der Sexarbeiterinnen ist auffallend, gezielte<br />

Information und Beratung bleiben ein grosses Bedürfnis. Der Wissensstand zu den Risiken von<br />

ungeschütztem Oralsex, STD's und Hepatiten ist besonders lückenhaft, desgleichen die Handhabung<br />

von Kondomen. Die meisten Frauen können das Präservativ in ihrem privaten Verkehr<br />

nicht durchsetzen. STD's sind in den Herkunftsländern der Sexarbeiterinnen oft tabuisiert und<br />

die Frauen sprechen auch untereinender wenig darüber. Fragen zum geplatzten Präservatif sind<br />

so häufig, dass Maria Magdalena nun ihr eigenes Informationsmaterial zu dieser ‘<strong>No</strong>tfallsituation’<br />

geschaffen hat. Die HIV-Postexpositionsprophylaxe (PEP) wird nie verlangt. Abgesehen<br />

von diesen sich direkt auf HIV-Prävention beziehenden Elementen sind Fragen rund um<br />

Gesundheit und Gesundheitsversorgung und zur rechtlichen Lage der Frauen ihr Hauptanliegen.<br />

Für Sexarbeiterinnen ist der Zugang zu Kondomen nicht immer gewährleistet, oder sie müssen<br />

sich bei den Betreibern zu hohen Preisen eindecken. Dies ist besonders dann der Fall, wenn sie<br />

in abgelegenen Etablissements arbeiten oder sich nicht aus dem Salon wagen. Für diese Frauen<br />

ist der Kontakt zu den aufsuchenden Mediatorinnen besonders wichtig, denn deren Besuch ist<br />

oft der einzige Kontakt der Frauen zu Menschen, die nicht aus dem Milieu stammen oder Klienten<br />

sind. Die Abgabe von Kondomen hilft, Zugang zu den Frauen zu gewinnen.<br />

Kontext — Anders als in den übrigen in dieser Untersuchung berücksichtigten Städten, scheint<br />

in Saint-Gallen die ärztliche Versorgung für die Frauen im Sexgewerbe relativ problemlos zu<br />

sein. Bei Schwangerschaftsproblemen werden sie von den Hilfsorganisationen an die Familienplanungsstelle,<br />

an die Frauenklinik oder auch nach Zürich verwiesen. Frauen im Sexgewerbe<br />

gehen eher selten zum Arzt oder auf eine Beratungsstelle. Obwohl unerlaubt, wird illegalen<br />

Frauen von den BetreiberInnen und ChefInnen immer wieder Geld für den Arztbesuch abgezogen,<br />

obwohl sie krankenversichert sind.<br />

a<br />

Obwohl das Maria Magdalena Projekt in seinen Anfängen (Umbrella Projekt) sich ganz klar auf die<br />

Beschaffungsprostitution bezog, von der Sektion Suchinterventionen des BAG unterstützt wurde und<br />

auch heute noch organisationell dem kantonalen Beauftragten für Suchtfragen untersteht, kümmert<br />

diese Stelle sich nur am Rande um diese heute in Saint-Gallen kleine Zielgruppe ( der ausgesprochene<br />

Drogenstrich, den es auch im übrigen Kanton gab, ist heute weitgehend verschwunden). Die Situation<br />

in Saint-Gallen ähnelt damit derjenigen in anderen kleineren Schweizer Städten, die ebenfalls keine<br />

spezifischen Angebote für diese Subgruppe haben. Eine solche wird von Fachleuten nur dort gefordert<br />

“wo angesichts eines manifesten Drogenstrichs mit einem hinsichtlich Ort und Zeit echt niederschwelligen<br />

Angebot interveniert werden kann” 69 .Trotzdem könnte die Betreuung dieser Gruppe in Saint-Gallen<br />

noch einmal überdacht werden.<br />

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