zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Klaus Schuhmann: Gefängnistagebuch und Roman – Fallada redivivus<br />
Klaus Schuhmann<br />
Gefängnistagebuch und Roman –<br />
Fallada redivivus<br />
Hans Fallada: Jeder stirbt für sich allein, Berlin<br />
<strong>2011</strong>, Aufbau Verlag. Ungekürzte Neuausgabe.<br />
Herausgegeben mit einem Nachwort von<br />
Almut Giesecke, 704 S.<br />
Hans Fallada: In meinem fremden Land.<br />
Gefängnistagebuch 1944, Berlin 2009. Aufbau<br />
Verlag. Herausgegeben von Jenny Williams<br />
und Sabine Lange, 333 S.<br />
Was für ein Glücksfall für einen Verlag, der<br />
mit einer extra ge fertigten Bauchbinde „Ein<br />
literarisches Großereignis“ ankündigt und<br />
sich dabei auf das Urteil der großen „New<br />
York Times“ be ru fen kann, obwohl er sich<br />
seit Jahrzehnten wie kein anderer Ver lag<br />
um die Pfl ege des Werkes von Hans Fallada<br />
(mit einer zehn bän digen Auswahl von<br />
Günter Caspar) bestens ausweisen kann.<br />
Der Roman „Jeder stirbt für sich allein“ ist<br />
der 8. in dieser Reihe und braucht mehr<br />
als 600 Seiten, <strong>10</strong>0 weniger als die nun Furore<br />
machende Neuausgabe, die in der Tat<br />
um ein aufschlussreiches Ka pitel (es ist das<br />
17.) reicher ist als der Erstdruck von 1947,<br />
an dessen Entstehung nicht nur Johannes<br />
R. Becher beteiligt war (er lieferte den dokumentarischen<br />
Fall per Gestapo-Akte des<br />
Ehe paars Otto und Elise Hampel) und der<br />
nicht weniger namhafte Paul Wiegler als<br />
Lektor.<br />
Mag sein, dass das Buch für die amerikanischen<br />
Leser die „Span nung eines Le-<br />
Carre-Romans“ hat, ein Spionage- oder<br />
Kriminalro man ist es nicht, obschon Fallada<br />
vermutlich auch dazu fähig ge wesen<br />
wäre. Der in die Jahre gekommene Fallada-Leser<br />
hierzulande liest diesen Roman<br />
im „Lichte unserer Erfahrungen“ natürlich<br />
auch mit anderen Augen und kommt<br />
nicht umhin, an ihm lobenswert zu fi nden,<br />
wodurch sich dieser Autor schon Jahre zuvor<br />
mit „Kleiner Mann – was nun?“ (1932)<br />
und „Wolf unter Wölfen“ (1937) auszeichnete:<br />
seine ungemein stimmigen Einblicke<br />
in das Leben und die Charaktere der kleinen<br />
Leute in deren Alltag, die er in diesem<br />
Roman im Umkreis der beiden Einzelkämpfer<br />
gegen das Hit ler-Regime agieren<br />
lässt, konzentriert auf die Mitbewohner der<br />
beiden Eheleute, die Quangel heißen. Am<br />
Handeln dieser Neben fi guren kann abgelesen<br />
werden, wie Hitlerpartei, Gestapo und<br />
SS miss bildend in das Leben dieser Leute<br />
hineingewirkt, es verdor ben und in den antijüdischen<br />
Exzess bei einer Hausbewohnerin<br />
ge trieben haben. Im Siegestaumel des<br />
Jahres 1940 nimmt Fallada die moralische<br />
Katastrophe der deutschen Niederlage fünf<br />
Jahre spä ter vorweg.<br />
Als Zeugnis antifaschistischen Widerstands<br />
gebührt diesem Buch ein Ehrenplatz<br />
neben Stephan Hermlins „Die erste Reihe“,<br />
Bruno Apitz‘ „Nackt unter Wölfen“ und<br />
Jurek Beckers „Jakob der Lüg ner“, Bücher<br />
von ebenso großem dokumentarischen wie<br />
131