zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
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Artykuły<br />
22<br />
Seine ohne Entäußerung und Entfremdung<br />
in realer Demokratie begründet,<br />
(dann) entsteht in der Welt etwas, das<br />
allen in die Kindheit scheint und worin<br />
noch niemand war: Heimat. 1<br />
Bloch beschreibt einerseits Heimat als<br />
Stück der menschlichen Identität, wenn er<br />
formuliert, dass das Objekt dem Subjekt so<br />
nahe rückt wie das Subjekt, dass wir darin<br />
zu Hause sind. Andererseits ist Heimat für<br />
ihn eine noch nicht erreichte. An diesem<br />
Noch-Nicht zeigt sich das konkret Utopische<br />
des Blochschen Heimatbegriff s. Für<br />
ihn liegt Heimat jenseits der Klassengesellschaft.<br />
In diesem utopisch-gesellschaftlichen<br />
Sinne fasst er Heimat als etwas zu Erreichendes,<br />
als etwas Erreichenswertes auf,<br />
ohne allerdings auf der Sicherheit zu bauen,<br />
sie tatsächlich jemals realisieren zu können.<br />
Diese in den 60er und 70er Jahren angesichts<br />
des Kalten Krieges und des Heimatverlustes<br />
in der alten BRD geführten<br />
Diskussionen um den Begriff Heimat änderten<br />
sich in den 80er Jahren. Bei Oskar<br />
Negt z.B. ist nicht mehr die Entfremdung<br />
der Gegenbegriff zur Heimat, sondern im<br />
Zeitalter wachsender Vertreibungen und<br />
Migrationen erkennt er in der Entwurzelung<br />
das Gegenteil von Heimat. 2 Negt betont,<br />
dass bei Autoren wie Hei<strong>nr</strong>ich Böll,<br />
Günter Grass, Siegfried Lenz „es buchstäblich<br />
kindliche Ursprungserfahrungen einer<br />
Heimat sind, in der sie aufwuchsen, und<br />
die im Erwachsenenalter selbst dann noch<br />
spürbar ist, wenn sich die literarische Pro-<br />
1 Ernst Bloch, Das Prinzip Hoff nung. GA, Bd.<br />
5, Frankfurt /M. 1959, S. 1628<br />
2 Oskar Negt, Wissenschaft in der Kulturkrise<br />
und das Problem der Heimat. In: Niemandsland. Zeitschrift<br />
zwischen den Kulturen. Jg. 1, Heft 2, 1987, S.<br />
13 – 23, hier: S. 13<br />
duktion von diesem Boden ganz abgelöst<br />
hat.“ 3<br />
Gibt es Heimat bei Autoren, die aus<br />
ihrer Heimat vertrieben wurden, einerseits<br />
nur in der Kindheit, wo Vertrautheit<br />
und Verlässlichkeit der Gegenstände<br />
und Personen hergestellt zu sein schienen<br />
oder andererseits wie bei Ernst Bloch ohne<br />
„Entäußerung und Entfremdung in realer<br />
Demokratie“ als gesellschaftliche Utopie,<br />
in der noch niemand gewesen ist, so verknüpft<br />
sich der Heimatbegriff Oskar Negts<br />
mit den Möglichkeiten, Identitäten herzustellen,<br />
was besonders bei seinem Begriff<br />
der Entwurzelung eine Rolle spielt. Für<br />
Negt entstehen Heimatgefühle beim<br />
Wunsch, zu Hause zu sein, sich irgendwo<br />
niederzulassen, wo man sich wohl<br />
fühlt, wo Vertrautheit und Verlässlichkeit<br />
der Gegenstände und Personen<br />
hergestellt ist, wo es Konfl ikte gibt, aber<br />
auch verlässliche Regeln, sie zu lösen,<br />
ohne ausgegliedert oder vertrieben zu<br />
werden (…) Es ist, allgemein gesprochen,<br />
das Bedürfnis nach Identität, das<br />
sich hier ausdrückt, der Wunsch, in der<br />
Mannigfaltigkeit der Umwelt Spiegelungen<br />
des eignen Innern zu erfahren.<br />
Identifi zieren kann man sich auch mit<br />
fremden Verhältnissen, mit Arbeitsverhältnissen<br />
oder Städten, in denen man<br />
wohnt und deren Atmosphäre man als<br />
wohltuend empfi ndet. Identität in dem<br />
Horizont, der Heimatgefühle bezeichnet,<br />
gewinnt man jedoch nur dann,<br />
wenn die Mikrostrukturen von Raum<br />
und Zeit in sich selber Lebensgeschichte<br />
darstellen. 4<br />
3 Ebenda, S. 21<br />
4 Oskar Negt, a. a. O., S. 21