zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
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Klaus Schuhmann: Ludwig Th omas Breslauer Moritat – ein Memorial<br />
Ende ging, begann die des gebürtigen Bayern<br />
Ludwig Th oma erst, die Helgar Abret<br />
wie folgt bilanziert hat:<br />
Vom 3. bis zum 25. Jahrgang des<br />
„Simplizissimus“, d. h.<br />
zwischen 1899/1900 und 1920/21 hat<br />
Ludwig Th oma 684<br />
Beiträge unter dem Pseudonym Peter<br />
Schlemihl veröff entlicht,<br />
meist Gedichte, selten politische Prosa.<br />
Sein Name steht vor allem (die Zeichnungen<br />
namhafter Mitarbeiter wie Th omas<br />
Th eodor Heine u.a. eingeschlossen) für<br />
jene Tendenz des „Simplizissimus“, die Abret<br />
„innenpolitische Satire“ nennt.<br />
Die zielt weit über die bayrischen Lande<br />
hinaus vor allem auf jene Region, die dort<br />
nicht wohlwollend „Preußen“ genannt<br />
wurde, also auf die Politik, die in Berlin<br />
stattfand, und auf Vorgänge im Reich, die<br />
satirisch aufs Korn genommen wurden. In<br />
drei Beiträgen steht auch der Städtename<br />
„Breslau“ im Titel. Bei der Nennung im<br />
Jahr 1906 handelt es sich um ein „Flugblatt“,<br />
also eine Extra aus gabe, die nur bei<br />
besonderen Vorkommnissen geplant wurde.<br />
Was sich in diesem Jahr in Breslau ereignete,<br />
verdiente off enbar damals ein<br />
solches Augenmerk, wie dem Titel des Gedichts<br />
zu entnehmen ist:<br />
Die abgehackte Hand oder Der<br />
Breslauer Krawall.<br />
Es ist für die Möglichkeit einer Zeitschrift<br />
ein ungewöhnlich lan ges Gedicht, also<br />
gleichsam zum Sonderdruck bestimmt und<br />
damit dem schnellen Vergessen in der Zeitschriftabfolge<br />
enthoben zumal Th oma sei-<br />
nen Text wie eine Chronik angelegt hat, in<br />
der Namen und Adres sen genannt werden.<br />
Doch zunächst holte er gedanklich weit<br />
aus und diagnostizierte ei ne Zeit-Krankheit,<br />
die er als von Würmern verursacht<br />
vorstellte:<br />
Wohl, es gibt verschiedene Würmer,<br />
Spul- und Brand- und Regenwürmer,<br />
Doch der schlechtest‘ Wurm, der ist,<br />
Der an unserm Herzen frißt.<br />
Rebellion, so heißt sein Namen,<br />
Aufruhr heißt sein ekler Samen;<br />
Geile Unzufriedenheit<br />
Macht, daß er in uns gedeiht.<br />
Was wir sonst im Herzen tragen,<br />
Alles kann der Wurm benagen,<br />
Ehrerbietung, Disziplin,<br />
Gottesfurcht und Biedersinn.<br />
Es sind einige der Kardinaltugenden, die<br />
im Kaiserreich (Diszi plin schon von Friedrich<br />
II. her) hoch standen und dafür bürgten,<br />
dass nicht entstehen konnte, was im<br />
Gedichttitel noch bei läu fi g „Kra wall“ genannt<br />
wird, aber durch die „abgehackte<br />
Hand“ zugleich als ein Akt gekennzeichnet<br />
ist, wie er in früheren Zei ten in Moritaten<br />
der Nachwelt vermeldet wurde.<br />
Über mehrere Strophen fortlaufend<br />
zählt Th oma auf – hier in der Rol le des<br />
sonst verspotteten Sittenwächters – was<br />
an Untugenden staatslästerlicher Natur ins<br />
Kraut geschossen ist und nähert sich Schritt<br />
für Schritt dem eigentlichen Anlass und<br />
dem Th ema seines Gedichts:<br />
Mancher mit vergällter Leber<br />
Murrt vor seinem Arbeitgeber,<br />
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