zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
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Teksty<br />
Polen hat im wahrsten Sinne des Wortes<br />
eine bewegte Geschichte. Ländergrenzen<br />
zogen über Orte und Menschen hinweg,<br />
nahmen sie manchmal mit, manchmal<br />
nicht. Manchmal gingen die Menschen<br />
selbst, mal wurden sie gezwungen, mal wurden<br />
sie erschossen, nur weil sie zur falschen<br />
Zeit innerhalb der falschen Grenzen lebten.<br />
Die meisten deutschen Besucher Polens erfahren<br />
diese Geschichte im heutigen Westen<br />
des Landes, reisen nach Breslau, Danzig<br />
oder Posen, aber auch in die Herzkammern<br />
Polens, nach Krakau oder Tschenstochau.<br />
Die Sehenswürdigkeit dieser Orte hat sich<br />
herumgesprochen, ihr heutiger Glanz und<br />
ihre Architektur entschädigen für das, was<br />
dort einmal geschehen und in die Geschichte<br />
eingegangen ist. Der Lohn des Besuchers<br />
für den gezahlten Preis sind die mitgebrachten<br />
Fotos, das, was sich vorzeigen lässt zu<br />
Hause, Begeisterung hervorruft und Erinnerung<br />
weckt an einen schönen Aufenthalt.<br />
Der heutige Osten Polens hingegen steht<br />
im Schatten vom Rest des Landes. Polens<br />
einstige Mitte wurde zum Randgebiet.<br />
Kaum ein Ausländer kennt die Namen der<br />
dortigen Städte, kaum ein Reisender fi ndet<br />
den Weg in dieses nur dünn besiedelte<br />
Gebiet. Die Steinchen des Mosaiks scheinen<br />
in dieser Region häufi g weniger bunt<br />
und schillernd als im Zentrum oder im<br />
Westen des Landes. Die Kirchen sind kleiner,<br />
die Schlösser und Adelshäuser abgelegener.<br />
Und dennoch haben die Orte dort<br />
Geschichten zu erzählen, die ihr Aufsuchen<br />
lohnt, die den Besucher entschädigen<br />
für manche Mühen und ihn staunen lassen<br />
über das, was er dort nicht erwartet hätte.<br />
Die ersten Ölbohrungen der Welt zum<br />
Beispiel oder die Wiege des Erfi nders der<br />
Kunstsprache Esperanto. Die Atmosphäre<br />
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verschiedener und doch Seite an Seite lebender<br />
Kulturen verlieh vielen Orten eine<br />
eigenständige, unabhängige Identität, die<br />
für mich ebenso faszinierend wie bedrückend<br />
war, weil sie Fragen nach ihrer Zukunft<br />
aufwarf.<br />
Die Reise hat gehalten, was sie nicht versprochen<br />
hat: mir als eine unvergessliche<br />
Begegnung mit diesem Grenzgebiet in Erinnerung<br />
zu bleiben. Einige jener Orte, die<br />
sich mir in Ostpolen besonders eingeprägt<br />
und mir die Landschaft in eindrucksvoller<br />
Weise vor Augen geführt haben, habe<br />
ich mitgenommen, sie in Wort und Bild<br />
gefasst als Zeugnisse einer Region, die vom<br />
Reisenden manchmal nur ein wenig Zeit<br />
und Geduld erfordert. Er braucht eine gute<br />
Landkarte und fi ndet trotzdem das größte<br />
Glück dort, wo er sich verfährt. Manchmal<br />
lohnt es sich für ihn, die eigenen Pläne zu<br />
verlassen und auf Pfade abzubiegen, deren<br />
Ende er nicht kennt. Der Lohn ist ihm sicher,<br />
denn wo sonst reist man heute noch<br />
mit dem Gefühl, vielleicht der erste zu sein,<br />
der zu Hause von diesen Orten erzählt.<br />
[…]<br />
Lublin. Jüdisches Sterben<br />
Am Ende meiner Taxifahrt entlässt mich<br />
der Fahrer mit einer Entschuldigung. Die<br />
Hausnummer 9 könne er nicht fi nden, sie<br />
müsse aber hier in der Nähe sein. Zwischen<br />
7 und 11. Ich zahle und steige aus. Für den<br />
Ort, den ich suche, gibt es keine Bezeichnung<br />
mehr. Ich bin mir nicht einmal ganz<br />
sicher, ob es ihn überhaupt noch gibt.<br />
Vor dem Einmarsch der Deutschen lebten<br />
in Lublin ungefähr 40 000 Juden, also