zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
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Rozważania literackie<br />
Grazie ist für Kleist nicht nur ein utopischer<br />
Begriff , es gibt sie nicht nur bei den<br />
Heldinnen seiner Dramen und Novellen,<br />
sondern auch und sogar in der grausam<br />
kriegerischen Wirklichkeit seiner Gegenwart.<br />
An einem Gedicht sei das kurz gezeigt.<br />
Königin Luise<br />
Wie sehr Kleists Begriff „Grazie“ auch in<br />
den politischen Kontext gehört, zeigt sein<br />
Sonett auf die Königin von Preußen, das<br />
nicht nur das schönste und prägnanteste<br />
Gedicht auf Luise geworden ist, sondern<br />
auch in bemerkenswerter Weise jenen<br />
Schlüsselbegriff entfaltet. Grazie, das wichtige<br />
Wort in Kleist Aufsatz über das Marionettentheater,<br />
ist auch das wichtige Wort<br />
in dem Sonett auf die Person, die sowohl<br />
im privaten als auch im öff entlichen Leben<br />
und in der Dichtung zur unübertroff enen<br />
Verkörperung von Anmut geworden ist, die<br />
Königin Luise von Preußen. In Kleists Sonett<br />
An die Königin von Preußen zum <strong>10</strong>.<br />
März 18<strong>10</strong> (I, S. 96 f.) ist im ersten Quartett<br />
von Grazie, im ersten Terzett von Anmut<br />
die Rede. Und obwohl das Gedicht<br />
von Schreckenstagen, Krieg und Unglück<br />
spricht, ist es selber von großer Anmut und<br />
entwickelt in seiner Quartette und Terzette<br />
übergreifenden Satzkonstruktion eine wunderbare<br />
Spannung.<br />
42<br />
Erwäg ich, wie, in jenen Schreckenstagen,<br />
Still deine Brust verschlossen, was sie<br />
litt,<br />
Wie du das Unglück, mit der Grazie<br />
Tritt,<br />
Auf jungen Schultern herrlich hast getragen,<br />
Wie von des Kriegs zerrißnem Schlachtenwagen<br />
Selbst oft die Schar der Männer zu dir<br />
schritt,<br />
Wie, trotz der Wunde, die dein Herz<br />
durchschnitt,<br />
Du stets der Hoff nung Fahn‘ uns vorgetragen:<br />
O Herrscherin, die Zeit dann möcht‘<br />
ich segnen!<br />
Wir sahn dich Anmut endlos niederregnen,<br />
Wie groß du warst, das ahndeten wir<br />
nicht!<br />
Dein Haupt scheint wie von Strahlen<br />
mir umschimmert;<br />
Du bist der Stern, der voller Pracht erst<br />
fl immert,<br />
Wenn er durch fi nstre Wetterwolken<br />
bricht!<br />
Individuelles und Kollektives, Elementares<br />
und Geschichtliches vereinen sich, Schrekkenstage,<br />
Leid, Unglück, aber „mit der<br />
Grazie Tritt, / Auf jungen Schultern herrlich<br />
(…) getragen“, „trotz der Wunde“ „der<br />
Hoff nung Fahn‘“ und die Vergöttlichung<br />
noch bei Lebzeiten. Im letzten Terzett ruft<br />
Kleists Bildlichkeit den Eindruck der natürlichen,<br />
elementaren Ausstrahlung wach<br />
(Stern), auch hier verbinden sich Herrlichkeit<br />
und Unglück (Pracht, fi nstre Wetterwolken).<br />
In diesem Preis erscheint die Königin<br />
fast jenseits der Menschlichkeit, einerseits<br />
wie eine Göttin (das Haupt von Strahlen<br />
umschimmert), andererseits wie eine Erscheinung<br />
der elementaren physikalischen<br />
Welt (Stern), analog der Koinzidenz von