zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
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Rozważania literackie<br />
nem lebensgroßen Bild niederwirft und<br />
ihn anzubeten scheint. Nicolo missversteht<br />
Colino als Anagramm seines eigenen Namens,<br />
von der Maitresse des Bischofs, seiner<br />
Freundin, erfährt er aber die wirklichen<br />
Hintergründe und fasst nun einen „satanischen<br />
Plan“: Er verkleidet sich als Genueser<br />
Ritter – wie auf dem Gemälde – und<br />
erwartet Elvire in deren Zimmer, als Piachi<br />
für einige Tage außer Haus ist. Elvire fällt<br />
bei seinem Anblick in Ohnmacht.<br />
Immer wieder, auch in dieser Novelle:<br />
Bewusstlosigkeit. Gerade als Nicolo sie vergewaltigen<br />
will, erscheint Elvires Ehemann<br />
unerwartet zurück. Der Schock und die<br />
anschließenden Auseinandersetzungen mit<br />
Nicolo führen zu Elvires frühem Tod. Ähnlich<br />
wie Kohlhaas, versteht auch Piachi zu<br />
hassen. Und auch Piachi bezahlt dafür mit<br />
seiner Hi<strong>nr</strong>ichtung. Er tötet Nicolo, dass<br />
dem das Hirn gegen die Wand spritzt und<br />
lehnt dann die vor seiner Hi<strong>nr</strong>ichtung vorgeschriebene<br />
Beichte ab. Er will keine Vergebung<br />
der Sünden, er will in die Hölle, damit<br />
er dort noch weiter Nicolo für dessen<br />
Schandtat strafen kann.<br />
Littegarde<br />
Ähnlich schwer geprüft wie die Marquise<br />
von O. erscheint Littegarde von Auerstein<br />
in der Erzählung Der Zweikampf. Littegarde<br />
wird in einen Mordprozess hineingezogen,<br />
weil der angeklagte Graf Jacob Rotbart<br />
sie als Zeugin angibt. Er habe die fragliche<br />
Mordnacht bei ihr verbracht und legt als<br />
Beweisstück einen Ring vor, den er von ihr<br />
erhalten habe. Damit ist sie kompromittiert<br />
und wird von ihren Brüdern aus dem Haus<br />
gejagt. Ihr Verehrer Friedrich von Trota<br />
aber glaubt ihr und will gegenüber dem<br />
Reichsgericht in Basel durch das „Gottesurteil“<br />
Zweikampf ihre Unschuld beweisen.<br />
40<br />
Littegarde weiß: „Keine Schuld befl eckt<br />
mein Gewissen; und ginge er ohne Helm<br />
und Harnisch in den Kampf, Gott und alle<br />
seine Engel beschirmen ihn!“ (III, S. 256)<br />
Festen Glaubens an Littegardes Worte<br />
tritt Friedrich dem Grafen Jacob gegenüber<br />
und schlägt ihm gleich zu Anfang<br />
eine Wunde, dann wehrt er erfolgreich dessen<br />
Angriff e ab. So geht der Kampf rund<br />
eine Stunde lang, die Zuschauer murren, es<br />
wird ihnen langweilig. Friedrich ändert seine<br />
Kampfeshaltung, obwohl „sein Verfahren<br />
auf guten Gründen beruhen mochte“.<br />
(III, S. 257) Allein aus äußeren Gründen,<br />
des Publikums wegen, verliert er seine Sicherheit,<br />
stolpert und stürzt. Diese Motivation<br />
ist typisch Kleist und fehlt noch bei<br />
Cervantes, von dem Kleist die Begebenheit<br />
übernahm. Jacob Rotbart nützt den Augenblick<br />
und versetzt Friedrich mehrfach tödliche<br />
Stiche durch die Brust. War dies das<br />
Ende eines Gottesurteils? Der Mörder Rotbart<br />
kommt frei, Friedrich und Littegarde<br />
sollen sterben?<br />
Littegarde verzweifelt. Sie scheint sich<br />
selbst und jede Gewissheit verloren zu haben.<br />
Indem sie ihrem Gefühl, sich selbst<br />
misstraut, verliert sie ihre Sicherheit, „geh,<br />
meine Sinne reißen, und meine Kraft<br />
bricht.“ … „Schuldig, überwiesen, verworfen,<br />
in Zeitlichkeit und Ewigkeit verdammt<br />
und verurteilt!“ (III, S. 262) So sieht sie sich.<br />
Aber die Vorwürfe ihrer Umwelt, der<br />
Fluch von Friedrichs Mutter, die neuerliche<br />
Versicherung des Grafen Jakob zwingen sie<br />
wieder in die empörte Opposition zur Welt<br />
und lassen sie zu sich selbst zurückfi nden.<br />
Friedrich rät ihr: „Türme das Gefühl, das<br />
in deiner Brust lebt, wie einen Feldsen empor:<br />
halte dich daran und wanke nicht, und<br />
wenn Erd‘ und Himmel unter dir und über<br />
dir zugrunde gingen!“ (III, S. 265)