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zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe

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Refl eksje<br />

und seine Mätresse und die Versuche seines<br />

Hofes, ihn „aus den Händen seiner Geliebten<br />

zu befreien“. Und schließlich berichtet<br />

Bothos Frau von einer „zweifelhafte[n]<br />

Person“ in der Kur in Schlangenbad, die in<br />

wechselnder männlicher Begleitung ausging<br />

und „die Pompadour“ genannt wurde.<br />

Sie gab sich als Russin aus.<br />

‚Pompadour’ ist der historisch gewichtigste<br />

Mätressenname, der in Irrungen, Wirrungen<br />

erscheint. Der Leser fi ndet schwer<br />

Zugang zu dieser Romanfi gur, die als eine<br />

sehr kluge Person und eine impertinente<br />

Frau bezeichnet wird. Das seltsam grelle<br />

Auftreten dieser Russin mit den „Mandelaugen“<br />

hat off enbar Th omas Mann fasziniert<br />

und seinen Zauberberg beeinfl usst,<br />

speziell die Figur Clawdia Chauchat, jene –<br />

wie es bei Mann heißt – „unerzogene Frau“<br />

mit dem „tatarische[n] Gesicht“ und den<br />

„Schrägaugen“. Der silberne Crayon, den<br />

Botho benutzt, tritt in Chauchats Nähe<br />

symbolbeladen mehrfach auf.<br />

Wir sagten schon, Lene laufe Gefahr,<br />

von ihren Mitmenschen als Mätresse oder<br />

Prostituierte angesehen zu werden. Und der<br />

Leser? Ihm fällt der Name ‚Lene’ auf, jedenfalls<br />

dann, wenn er vollständig erscheint,<br />

was zwei Mal geschieht: „Magdalene“. Dieser<br />

Name hat seine zwei Seiten. Maria Magdalena,<br />

die im Johannes-Evangelium (Joh<br />

20, 1–18) und an anderer Stelle auftritt, ist<br />

eine der wenigen selbstständigen und souverän<br />

handelnden Frauen im Neuen Testament.<br />

Andererseits wird Maria Magdalena<br />

in der kirchlichen Tradition mit der Sünderin<br />

oder Prostituierten gleichgesetzt, von<br />

der das Lukas-Evangelium berichtet (Luk<br />

7, 36–50). Der Name Magdalene provoziert<br />

also Respekt und Argwohn zugleich.<br />

In ähnlich tiefsinniger Weise hat Maupassant<br />

den alttestamentlichen Namen Rachel<br />

60<br />

benutzt. Rachel war eine Ehefrau Jakobs,<br />

der sie sehr liebte, und die Mutter Josephs,<br />

eine Frau, die sich gegen ihre Konkurrentinnen<br />

schließlich durchgesetzt hat. Dass<br />

Maupassants Rachel am Ende einen Mann<br />

bekommt, der sie tief verehrt, kündigt sich<br />

schon in ihrem Namen an.<br />

Die Episode in Irrungen, Wirrungen, in<br />

der bezahlte Frauen leibhaftig auftreten,<br />

ist das Vormittagserlebnis in Hankels Ablage<br />

mit den drei Offi zierskurtisanen. Es<br />

sind einerseits abgebrühte Frauen, andererseits<br />

Frauen, die in Drangsal leben. Sie stehen<br />

den Prostituierten nahe, die bei Maupassant<br />

von den Offi zieren geholt werden.<br />

Über mehrere Seiten schildert Fontane ihre<br />

Gespräche, zum Teil wahre Fachgespräche<br />

aus ihrem Milieu. Eine der Kurtisanen<br />

stammt, so hört man, aus der Straßenprostitution<br />

(sie war „auf der Chaussee nach<br />

Tegel“) und soll nun im Dienste eines Offi<br />

ziers ein relatives Glück fi nden. Sogar<br />

ein Ineinander von Prostitution und Kriminalität<br />

erscheint, denn es ist von der<br />

„Patsche“ die Rede, in der eine der jüngeren<br />

und die älteste der drei Frauen gemeinsam<br />

einmal gesteckt haben. Gemeint<br />

ist wohl ein Vergehen im Bereich ‚Prostitution<br />

und Minderjährigkeit’, wie auch die<br />

Ältere sagt, schon vor ihrer Konfi rmation<br />

habe sie sich prostituieren müssen: „So von<br />

fuff zehn an und noch nich mal eingesegnet.“<br />

Die Stelle erinnert an ein verwandtes<br />

und doch ganz anders verlaufendes Ereignis<br />

in Lenes Schicksal. Auch sie hat vor<br />

ihrer Konfi rmation etwas Aufregendes, sie<br />

gar Überforderndes im Kreise von Mitmenschen<br />

erlebt, nämlich einen Th eaterbesuch.<br />

„Ich habe mal […], und ich war noch nicht<br />

eingesegnet, ein Stück gesehn: ‚Der Mann<br />

mit der eisernen Maske’“, erzählt sie Botho.<br />

Dieser Th eaterbesuch Lenes ist sogar etwas

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