zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Refl eksje<br />
und seine Mätresse und die Versuche seines<br />
Hofes, ihn „aus den Händen seiner Geliebten<br />
zu befreien“. Und schließlich berichtet<br />
Bothos Frau von einer „zweifelhafte[n]<br />
Person“ in der Kur in Schlangenbad, die in<br />
wechselnder männlicher Begleitung ausging<br />
und „die Pompadour“ genannt wurde.<br />
Sie gab sich als Russin aus.<br />
‚Pompadour’ ist der historisch gewichtigste<br />
Mätressenname, der in Irrungen, Wirrungen<br />
erscheint. Der Leser fi ndet schwer<br />
Zugang zu dieser Romanfi gur, die als eine<br />
sehr kluge Person und eine impertinente<br />
Frau bezeichnet wird. Das seltsam grelle<br />
Auftreten dieser Russin mit den „Mandelaugen“<br />
hat off enbar Th omas Mann fasziniert<br />
und seinen Zauberberg beeinfl usst,<br />
speziell die Figur Clawdia Chauchat, jene –<br />
wie es bei Mann heißt – „unerzogene Frau“<br />
mit dem „tatarische[n] Gesicht“ und den<br />
„Schrägaugen“. Der silberne Crayon, den<br />
Botho benutzt, tritt in Chauchats Nähe<br />
symbolbeladen mehrfach auf.<br />
Wir sagten schon, Lene laufe Gefahr,<br />
von ihren Mitmenschen als Mätresse oder<br />
Prostituierte angesehen zu werden. Und der<br />
Leser? Ihm fällt der Name ‚Lene’ auf, jedenfalls<br />
dann, wenn er vollständig erscheint,<br />
was zwei Mal geschieht: „Magdalene“. Dieser<br />
Name hat seine zwei Seiten. Maria Magdalena,<br />
die im Johannes-Evangelium (Joh<br />
20, 1–18) und an anderer Stelle auftritt, ist<br />
eine der wenigen selbstständigen und souverän<br />
handelnden Frauen im Neuen Testament.<br />
Andererseits wird Maria Magdalena<br />
in der kirchlichen Tradition mit der Sünderin<br />
oder Prostituierten gleichgesetzt, von<br />
der das Lukas-Evangelium berichtet (Luk<br />
7, 36–50). Der Name Magdalene provoziert<br />
also Respekt und Argwohn zugleich.<br />
In ähnlich tiefsinniger Weise hat Maupassant<br />
den alttestamentlichen Namen Rachel<br />
60<br />
benutzt. Rachel war eine Ehefrau Jakobs,<br />
der sie sehr liebte, und die Mutter Josephs,<br />
eine Frau, die sich gegen ihre Konkurrentinnen<br />
schließlich durchgesetzt hat. Dass<br />
Maupassants Rachel am Ende einen Mann<br />
bekommt, der sie tief verehrt, kündigt sich<br />
schon in ihrem Namen an.<br />
Die Episode in Irrungen, Wirrungen, in<br />
der bezahlte Frauen leibhaftig auftreten,<br />
ist das Vormittagserlebnis in Hankels Ablage<br />
mit den drei Offi zierskurtisanen. Es<br />
sind einerseits abgebrühte Frauen, andererseits<br />
Frauen, die in Drangsal leben. Sie stehen<br />
den Prostituierten nahe, die bei Maupassant<br />
von den Offi zieren geholt werden.<br />
Über mehrere Seiten schildert Fontane ihre<br />
Gespräche, zum Teil wahre Fachgespräche<br />
aus ihrem Milieu. Eine der Kurtisanen<br />
stammt, so hört man, aus der Straßenprostitution<br />
(sie war „auf der Chaussee nach<br />
Tegel“) und soll nun im Dienste eines Offi<br />
ziers ein relatives Glück fi nden. Sogar<br />
ein Ineinander von Prostitution und Kriminalität<br />
erscheint, denn es ist von der<br />
„Patsche“ die Rede, in der eine der jüngeren<br />
und die älteste der drei Frauen gemeinsam<br />
einmal gesteckt haben. Gemeint<br />
ist wohl ein Vergehen im Bereich ‚Prostitution<br />
und Minderjährigkeit’, wie auch die<br />
Ältere sagt, schon vor ihrer Konfi rmation<br />
habe sie sich prostituieren müssen: „So von<br />
fuff zehn an und noch nich mal eingesegnet.“<br />
Die Stelle erinnert an ein verwandtes<br />
und doch ganz anders verlaufendes Ereignis<br />
in Lenes Schicksal. Auch sie hat vor<br />
ihrer Konfi rmation etwas Aufregendes, sie<br />
gar Überforderndes im Kreise von Mitmenschen<br />
erlebt, nämlich einen Th eaterbesuch.<br />
„Ich habe mal […], und ich war noch nicht<br />
eingesegnet, ein Stück gesehn: ‚Der Mann<br />
mit der eisernen Maske’“, erzählt sie Botho.<br />
Dieser Th eaterbesuch Lenes ist sogar etwas