zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
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Społeczeństwo<br />
Da Ben sich in Anna verliebt 2 , bringt er ihr<br />
ein größeres Verständnis entgegen, muss<br />
aber feststellen, dass auch seine Eltern<br />
Vorbehalte gegen die Einwanderer haben.<br />
Denn bei der bereits zitierten Vermutung<br />
seines Vaters nimmt Ben dessen ablehnende,<br />
wenn nicht gar abfällige Haltung wahr:<br />
„Ben gefi el es nicht, wie Vater ‚diese Familien’<br />
betonte“ (ebd. S.28). Dementsprechend<br />
abweisend reagiert er auf die Stereotypisierung<br />
seiner Mutter, als er sie darum<br />
bittet, Annas Einladung zum Mittagessen<br />
annehmen zu dürfen:<br />
68<br />
Mutter wollte es ihm nicht erlauben.<br />
Die Leute haben doch kaum was,<br />
sagte sie. Aber Annas Eltern wollen es.<br />
Na gut, sagte Mutter, man sagt ja auch,<br />
dass die Polen gastfreundlich sind. Es<br />
sind aber keine Polen, verbesserte Ben.<br />
Wie du willst, antwortete Mutter. (ebd.<br />
S.53)<br />
Entweder kennt die Mutter den rechtlichen<br />
Status nicht oder sie will ihn nicht anerkennen,<br />
eine Haltung, die sich in den nachfolgenden<br />
Jahrzehnten mit der Zunahme<br />
an Aussiedlern in der bundesdeutschen Realität<br />
noch verschärfen wird. 3 Aber auch<br />
Annas Selbstverständnis entspricht zur<br />
Verwunderung Bens nicht ihrer Staatsangehörigkeit.<br />
Daher muss sie sich angesichts<br />
2 Er verliebt sich, ganz klassisch, auf den ersten<br />
Blick: „Da hob sie den Kopf und guckte ihn an. Er<br />
fuhr richtig zusammen. […] Solche Augen hatte er<br />
noch nie gesehen. […] Solche Augen darf man nicht<br />
haben. Sie machen einem Angst.“ (ebd. 12f)<br />
3 Fast 4,5 Millionen Spätaussiedler haben seit<br />
1950 Aufnahme in Deutschland gefunden, davon<br />
1,4 Millionen aus Polen. Seit 1989 sind die Zahlen<br />
rückläufi g: von 250.000 im Jahr 1989 (66,4 Prozent<br />
der Gesamtaussiedlerzahl) auf jährlich unter 5.000<br />
seit 1996 (vgl. www.bmi.bund.de).<br />
ihrer Begründung der Einladung, „Das ist<br />
bei uns in Polen so“, von Ben den Hinweis<br />
gefallen lassen: „Aber wir sind nicht in Polen“<br />
(ebd. S.52). Im Gegensatz zu seinen<br />
Klassenkameraden entwickelt Ben nicht<br />
nur ein Gespür für ihre Situation, sondern<br />
zeigt auch Interesse für ihre Herkunft:<br />
War es schön in Kattowitz? Ben sprach<br />
den Namen der Stadt vorsichtig aus: Kat-to-witz.<br />
Er wusste ja nicht, ob er ihn<br />
richtig verstanden hatte. Und Mutter<br />
hatte von Städten in Polen bestimmt<br />
keine richtige Ahnung.<br />
Anna fragte: In Katowice? Da war also<br />
noch ein e dran, dachte Ben.<br />
In Katowice war es schön, erzählte<br />
Anna. Wir hatten es gar nicht so weit in<br />
die Berge und bei den Gruben konnten<br />
wir spielen.<br />
Gruben? Na ja, Kohlengruben. Wo<br />
man tief aus der Erde Kohle herausholt.<br />
Kennst du das nicht?<br />
Doch, ich weiß schon.<br />
Also. Da war mein Papa Grubenschlosser.<br />
Jeden Tag ist er hinuntergefahren. Er<br />
fand das toll und er fragte sich, wie tief<br />
man Löcher in die Erde bohren kann.<br />
Anna erzählte von ihren Freundinnen<br />
in Katowice, Sonja und Maria. Dabei<br />
kriegte sie rote Backen. Ben sah sie von<br />
der Seite an. Er fand sie schön und ganz<br />
anders als die anderen Mädchen, die er<br />
kannte. (ebd. S. 34 f.) 4<br />
‚Anders’ fi ndet Ben auch Annas neunköpfi<br />
ge Familie, fühlt sich aber trotz der Enge<br />
und Armut aufgrund ihres Verhaltens und<br />
ihrer „lauten Fröhlichkeit“ wohl (ebd. S.<br />
60). Ganz anders als die anderen Mädchen,<br />
4 Vgl. „In Katowice ist es viel kleiner, aber noch<br />
schöner als bei euch.“ (Härtling S. 70)