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zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe

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Teksty<br />

Michael Zeller<br />

BLACK STAR über Glogau<br />

BIG FASTY ist die Welt von heute. Hinein<br />

in die Stadt vom soliden Terrain eines<br />

McDonald’s-Freßtempels. Ein Kirchturm<br />

lockt weiter nach innen. Nie war ich in Glogau.<br />

Weiß nur von der FESTUNG Glogau<br />

zu Ende des zweiten großen Kriegs. Wie<br />

mein Breslau damals. Ganze vierzehn Häuser<br />

sollen so viel Wehrwillen überstanden<br />

haben, im Frühling 1945.<br />

Der Kirchturm funkt: Nur rein! Wird<br />

sein wie überall. Eine Stadt ist eine Stadt ist<br />

eine Stadt – Zwei bunt getünchte Häuserreihen<br />

der 1990er vielleicht, mit nett wechselnden<br />

Giebelchen architektonischer Konfektion.<br />

Gehe beide Gassen parallel, die eine<br />

im Kopf. Eine mächtige Kirche<strong>nr</strong>uine, roter<br />

Backstein der Hanse. Baumasse kastriert.<br />

Bruch. Daneben Brachen, groß wie Fußballfelder,<br />

hinter Wellblechbanden. NONE<br />

plakatiert. KEINER. Viel langes Haar auf<br />

BLACK STAR TOUR. Das ist die Welt von<br />

heute.<br />

Ach ja: Grüß Gott! Hier steht ja auch<br />

der schmucke Kirchturm herum, der so<br />

lockte von fern. Hübsch, wirklich, seine feine<br />

Haube. Wär ihm, ach, nur nicht der Kirchenleib<br />

abhanden gekommen.<br />

Menschen in den Straßen der Dämmerung?<br />

Ich bin allein hier. Fast. Eine Frau, die<br />

wegguckt. Drei Burschen, die Fäuste geballt<br />

in ihren Trainingsjacken. In diesen niedlich<br />

bunten Reihenhäusern – wohnt hier jemand?<br />

Ein alter Mann führt seinen Hund<br />

ab zum Scheißen.<br />

Wieder ein Zaun. Grundmauern. Gewesener<br />

Häuser. Der Blick stürzt in tiefe Keller.<br />

Hochgeschossen das Unkraut. Weit aufgerissenes<br />

Gelände. Setzt sich fort in Erdbatzen,<br />

getrüff elt mit den Brocken backsteinigen<br />

Gemäuers einer Vor-Zeit. Vielleicht mal<br />

die Kanalisation vorm Krieg. Ganze Hundestaff<br />

eln könnten sich hier leer scheißen<br />

und hinterließen nichts. Platz gratis, mitten<br />

in der Stadt.<br />

Vielleicht doch ein Bier jetzt? Eine Gassenzeile,<br />

betongegossen. Vier oder fünf Imbißlokale<br />

– italienisch, chinesisch, ein Th ai.<br />

Weder polnisch noch deutsch. Alles steht leer.<br />

Ich trinke mein Bier. Noch eins. Die frischen<br />

Bilder sinken.<br />

GESPENSTERSTADT sag ich nicht.<br />

Von Pompeji hat Glogau die Echtheit der<br />

Zerstörung, die überzeugendste Wüstenei.<br />

Könnte aber auch in seiner verzweifelt gemütlichen<br />

Neubebauung die Kulissenstadt<br />

für Wildwestfi lme sein, so solide. Oder das<br />

aufgelassene Dorf von Goldgräbern, die<br />

vorm Abhauen die letzten Krümel Leben<br />

rausgekratzt haben.<br />

Für immer das Desaster?<br />

I wo. Höchstens für zwei, drei Generationen.<br />

Gryphius, der hier lebte, wußte das alles<br />

schon und sagte es, laut genug. Er hatte den<br />

Großen Krieg seiner Zeit gesehen.<br />

Lies es. Zerreiß es. Vergiß es.<br />

Wir machen weiter. Munter wie je. BIG<br />

FASTY ist die Welt von heute.<br />

Der Text ist 2007 in der Anthologie „Grenzen<br />

im Fluß: ODER-RHEIN“, Frankfurt<br />

(Oder) erschienen.

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