zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
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Klaus Schuhmann: Ludwig Th omas Breslauer Moritat – ein Memorial<br />
Hat sich jeder gleich gedacht,<br />
Daß er ein Massaker macht.<br />
Dass Th oma als „Pfl icht“ bezeichnet, was<br />
zum „Massaker“ wird, ist wohl zuerst der<br />
„Geist von Potsdam“, der bei denen zu<br />
Hause ist, die für „Ruhe und Ordnung“<br />
zu sorgen hatten und nicht wissen wollten,<br />
weshalb sie ihre Säbel schleifen, um<br />
von Anfang dorthin zu zielen, wo sie auf<br />
„Fleisch“ treff en. Es handelt sich vermutlich<br />
um kaisertreue Gesinnungsträger, die<br />
es auch noch bis zum Glieder abschlagen<br />
bringen. Und so beginnt „die Hatz“:<br />
Also zog man ohne Milde<br />
Auf das ernste Schlachtgefi lde,<br />
Gegen den Striegauerplatz<br />
Ging die scharfe Pöbelhatz.<br />
Hier tat man die Leut umringen<br />
Und von vorn und hint‘ bezwingen,<br />
Und man hieb jetzt einzelweis<br />
In den vollgedrängten Kreis.<br />
Und es war ganz gleich, man haute<br />
Einem, der bloß friedlich schaute,<br />
Schmerzhaft auf sein Körperglied<br />
Ohne jeden Unterschied.<br />
Der Chronist nimmt sich nun nur noch der<br />
„Neunundzwanzig Volks per sonen“ an, die<br />
„Außer den Betrieb gesetzt“ wurden und<br />
nennt die Be troff enen beim Namen: Stilke,<br />
Daube, Lehmann, Seitz und Richard Knoll<br />
und einen „Schüler, namens Dräse“.<br />
Doch damit nicht genug:<br />
Doch die Heldensieger spähten,<br />
Ob sie nicht noch etwas täten,<br />
Jeder war noch kampfgewillt<br />
Und im Blutdurst ungestillt.<br />
Hinter den erschreckten Massen<br />
Tobten sie durch alle Gassen,<br />
Trafen links und hauten rechts<br />
Leute beiderlei Geschlechts.<br />
Hier nun kam ein Mensch gewandelt.<br />
Wußte nicht, um was sich‘s handelt,<br />
Biewald hieß er, und bis jetzt<br />
War er allseits hochgeschätzt.<br />
Ihm – einem unschuldigen Opfer – wird<br />
nun angetan, was die Ge dicht überschrift<br />
angekündigt hat:<br />
Während dieser Bittgebärde<br />
Fiel die Hand ihm auf die Erde,<br />
Ein Serschant, daß Gott erbarm!<br />
Schlug sie kurzweg von dem Arm.<br />
In Breslau kehrte danach wieder „Ordnungssinn“<br />
ein, und die Mor gen zeitung<br />
kann am nächsten Tag die „tapfre Leitung“<br />
von „Graf von Pfeil“ rühmen, der als „Generalmajor“<br />
die „tapfre Leitung“ hatte.<br />
So beklagens- und verurteilungswert genannt<br />
werden muss, was den 29 Verletzten<br />
geschah, erst was mit dem letzten Hieb einem<br />
Un be schol tenen in dessen Wohnung<br />
angetan wurde, prägt dem Th oma-Ge dicht<br />
den Stempel der politischen Moritat auf:<br />
einer des 20. Jahr hunderts, wie sie bis heute<br />
fortgeschrieben werden könnte.<br />
Literaturhinweise:<br />
Ludwig Th oma: Immer nur so durchgeschloff<br />
en. Humoresken, Bänkellieder und<br />
Satiren. Berlin 1973<br />
Helga Abret: „Antifranzösische Zeichnungen<br />
machen wir nicht …“. Der „Simplizissimus“<br />
und Frankreich 1896-1914. In:<br />
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