zeszyt nr 10/2011 - Zbliżenia Interkulturowe
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Artykuły<br />
Hans-Christoph Graf v. Nayhauss<br />
Drei Anläufe zur Beheimatung<br />
und Identitätsfi ndung gegenüber<br />
Fremdkulturen und ein Fallbeispiel<br />
1. Anlauf: Heimat und Identität<br />
Als Heimatvertriebener, der in Schlesien<br />
geboren ist, das heute zu Polen gehört, hat<br />
mich die Frage nach Heimat und Identität<br />
immer wieder beschäftigt. Ich gehörte allerdings<br />
durch die Prägung meiner Eltern<br />
zu dem Teil der Heimatvertriebenen, der<br />
nie an eine Wiedereroberung der alten Heimat,<br />
an Revanchismus dachte, für den es sogar<br />
völlig unvorstellbar war, dass er die Heimat<br />
der Kindheit je wieder sehen würde, sie<br />
ihn auch kaum interessierte. Von daher war<br />
es für mich dann schon ein sehr eigentümliches<br />
Gefühl, an meinem Geburtsort zu<br />
stehen, die Heimat der Kindheit wieder zu<br />
sehen, obwohl von dem Anwesen nur noch<br />
eine Scheune stand, da das Wohnhaus, die<br />
Mühle und die Stallgebäude und das sog.<br />
Polackenhaus, wo die polnischen Saisonarbeiter<br />
zur Erntezeit wohnten, 1975 ab-<br />
20<br />
Wenn wir unsere Bildung von fremden<br />
Literaturen zu erlangen suchen, so fragen<br />
wir nicht, wie alt die Werke sind, sondern<br />
wir nehmen an, daß sie vortreffl ich seien,<br />
und suchen, so entfernt auch die Zeiten, so<br />
fremd auch die Zustände sein mögen, sie<br />
uns und uns ihnen zu assimilieren.<br />
(Goethe, Dichtung und Wahrheit III)<br />
brannten und in Trümmer gelegt worden<br />
waren. Der Begriff Heimat trat mir vor allem<br />
dann ins Bewusstsein, wenn ich mich<br />
in den 80er und 90er Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts an polnischen Universitäten<br />
in Wroclaw/Breslau und Kattowice/Kattowitz<br />
als Gast aufhielt, wobei ich immer auf<br />
der Hin- oder Heimfahrt meinen Geburtsort,<br />
die Trümmer der Wassermühle in Sembowice<br />
in der Nähe von Jawor/Jauer oder<br />
in Oberschlesien die Reste des Gutes Bladen<br />
besuchte, um mein Maß an Heimat,<br />
die in meine Kindheit schien, zu erfühlen.<br />
Der Blick aus unserem Garten auf die fernen<br />
Linien des Riesengebirges war ein Blick<br />
auf Linien, die sich auch in die Seele meiner<br />
Kindheit gegraben hatten.<br />
Solche Wiedererkennens- und Wiedersehenserlebnisse<br />
stießen mich allerdings<br />
dazu an zu untersuchen, wie deutsche Gegenwartsautoren,<br />
die wie ich ebenfalls Op-